Cugel der Schlaue
Also, ans Werk: flink und geschickt!«
Twango hielt Cugel kurz zurück. »Gestern scheint sich wohl ein Mißverständnis ergeben zu haben, was die Bedeutung des Wortes ›Aufseher‹ betrifft. In Flutic ist damit eine Person gemeint, die für das Wohlergehen und die Bedürfnisse aller hier, einschließlich meiner, zuständig ist, jedoch keineswegs über sie zu bestimmen hat!«
»Das wurde mir inzwischen bereits klargemacht«, antwortete Cugel knapp.
»Richtig. Nun, als deine erste Aufgabe wirst du Weamish beerdigen. Sein Grab liegt dort, hinter den Heidelbeerbüschen. Du darfst dir auch gleich selbst eine Grabstätte aussuchen und dein Grab schaufeln, für den bedauerlichen Fall, daß auch du während deiner Dienstzeit in Flutic sterben solltest.«
»Daran wollen wir nicht denken«, entgegnete Cugel. »Ich habe noch einen weiten Weg vor mir, ehe ich an mein Ende denken darf.«
»Weamishs Worte unterschieden sich nicht sehr von deinen«, versicherte ihm Twango. »Trotzdem ist er nun tot. Und seinen Kameraden bleibt eine traurige Arbeit erspart, da er sein Grab bereits ausgeschaufelt, gepflegt und schön geschmückt hat.«
Twango lächelte betrübt. »Weamish muß das Flattern des Todesvogels gespürt haben. Erst vor zwei Tagen sah ich, wie er es in Ordnung brachte und hübsch herrichtete.«
»Vor zwei Tagen?« überlegte Cugel laut. »Das war, nachdem er die Schuppen gefunden hatte.«
»Stimmt. Er war ein äußerst pflichtbewußter Mann. Ich hoffe, daß du ihn dir zum Vorbild nimmst, während du in Flutic lebst und arbeitest.«
»Das ist mein Bestreben«, versicherte ihm Cugel.
»Nun darfst du Weamish begraben. Sein kleiner Karren ist im Schuppen. Er hat ihn selbst gebaut, so ist es nur geziemend, daß du ihn benutzt, seine Leiche in das Grab zu bringen.«
»Das finde ich sehr gütig von Euch.« Ohne ein weiteres Wort ging Cugel zum Schuppen und holte den Karren heraus: Er war nichts weiter als ein Tisch auf vier Rädern. Doch Weamishs Schönheitssinn, so zumindest sah es aus, hatte ihn veranlaßt, ihn mit einem Vorhang aus dunkelblauem Stoff zu verkleiden. Diese Verschönerung hing ringsum von der Tischplatte bis zu den Rädern.
Cugel lud die Leiche auf den Karren und zog ihn zum Hintergarten. Er rollte leicht, doch die Platte schien nicht sehr fest am Rahmen befestigt zu sein. Seltsam, dachte Cugel, wo mit diesem Karren doch Kisten mit wertvollen Schuppen befördert werden müssen! Er betrachtete den Karren näher und fand, daß die Platte nur von einem einzigen Stift gehalten wurde. Als er ihn herauszog, drehte die Platte sich und hätte die Leiche abgeworfen, wäre er nicht wachsam gewesen.
Nunmehr untersuchte er den Karren etwas eingehender, dann fuhr er die Leiche zu jener abgelegenen Stätte nördlich des Landhauses, die Weamish sich für seine ewige Ruhe ausgewählt hatte.
Cugel schaute sich um. Eine Reihe Myrhadionbäume schickten lange, mit purpurnen Blüten geschmückte Ranken über das Grab. Lücken im Laubwerk gestatteten einen Blick auf den Strand und das Meer. Links führte ein mit Bittersträuchern und Fliederbüschen überwucherter Hang zu einem schwarzen Schlammteich.
Yelleg und Malser arbeiteten bereits dort. Mit eingezogenen Schultern und in der Kälte fröstelnd, tauchten sie von einer Plattform in den Schlamm. Mit Hilfe von Gewichten und Seilen sanken sie so tief wie möglich, tasteten nach Schuppen, und kehrten schließlich heftig keuchend und schlammtriefend zurück.
Cugel schüttelte abfällig den Kopf, dann stieß er einen Schmerzensschrei hervor, als etwas Spitzes gegen seine rechte Gesäßseite schlug. Herumwirbelnd entdeckte er Gark, der unter dem breiten Blatt einer Rubia saß. Er hielt eine Schleuder in der Hand. Zweifellos hatte er damit auf ihn geschossen. Gark rückte den Schirm seiner roten Mütze zurecht und hüpfte herbei. »Etwas schneller mit der Arbeit, Cugel! Es gibt viel zu tun!«
Cugel würdigte ihn keiner Antwort. Er lud die Leiche ab, und Gark zog sich zurück.
Weamish hatte offenbar wahrhaftig seinen ganzen Stolz in das Grab gelegt. Es war fünf Fuß tief, mit geraden Wänden, sehr ordentlich ausgehoben, allerdings wirkte die Erde am Boden und den unteren Seitenteilen etwas locker und bröckelig. Cugel nickte zufrieden.
»Sehr gut möglich«, murmelte er. »Gar nicht unwahrscheinlich.«
Mit dem Spaten in der Hand, sprang er in das Grab und stocherte in der Erde. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine winzige Gestalt mit roter Mütze. Gark schlich heran,
Weitere Kostenlose Bücher