Cugel der Schlaue
mittleren Alters mit Vollmondgesicht und rotbraunem Haar, wie offenbar alle Dorfbewohner, eilte herbei. Nisbet begrüßte sie mit größter Höflichkeit, die sie mit ungeduldiger Geste abtat. »Nisbet, erneut muß ich mich beschweren! Seit ich meine Terces bezahlte, habt Ihr zuerst Toberscs und dann Cillincxs' Säule erhöht. Nun sitzt mein Gatte in ihrem Schatten, und ihre Weiber freuen sich über mein Ungemach! Ist etwas an meinem Geld auszusetzen? Habt Ihr meine Geschenke vergessen, das Brot und den Käse, die ich Euch durch meine Tochter Turgola schickte? Was habt Ihr dazu zu sagen?«
»Dame Croulsx, gestattet mir einen Augenblick, auch etwas zu sagen! Euer Zwanziger braucht nur noch aufgesetzt zu werden, und das wollte ich gerade Eurem Gatten mitteilen.«
»Ah, das ist eine gute Neuigkeit! Bestimmt versteht Ihr meine Besorgnis.«
»Gewiß. Doch um weitere Mißverständnisse zu vermeiden, sollte ich Euch vielleicht wissen lassen, daß sowohl Dame Tobersc als auch Dame Cillincx bereits ihre Einundzwanziger in Auftrag gegeben haben.«
Dame Croulsx' Kinn fiel herab. »So bald? Diese Andelfeger! In diesem Fall möchte auch ich meinen Einundzwanziger haben, und Ihr müßt sofort damit anfangen!«
Nisbet stöhnte schwer und krallte die Finger in den weißen Bart. »Dame Croulsx, bedenkt doch! Ich kann nicht mehr arbeiten, als meine alten Hände schaffen, und meine Beine sind auch nicht mehr die flinksten. Ich werde tun, was ich kann. Mehr vermag ich nicht zu versprechen.«
Dame Croulsx redete noch fünf Minuten beschwörend auf ihn ein, dann stapfte sie unzufrieden davon. Nisbet rief sie zurück: »Dame Croulsx, Ihr könntet mir einen kleinen Gefallen erweisen. Mein Freund Cugel hätte seine Kleidung gern fachmännisch gewaschen, geglättet, ausgebessert und wie neu zurück. Dürfte ich Euch diese Arbeit aufbürden?«
»Selbstverständlich. Wo sind die Sachen?«
Cugel holte die schlammverkrustete Kleidung, und Dame Croulsx kehrte zum Dorf zurück. »So ist das Leben«, murmelte Nisbet mit traurigem Lächeln. »Kräftige junge Hände wären nötig, das Handwerk fortzuführen. Was ist Eure Meinung dazu?«
»Nun, es ist ein Handwerk, das für sich spricht«, antwortete Cugel. »Eine Frage: Dame Croulsx erwähnte ihre Tochter Turgola. Ist sie hübscher als Dame Croulsx? Und noch etwas: Sind die Töchter genauso gern bereit, dem Steinhauer Gefallen zu erweisen wie ihre Mütter?«
Bedächtig antwortete Nisbet: »Zu Eurer ersten Frage: Die Dorfbewohner sind keramianischer Abstammung, Flüchtlinge von Rhab Faag, da kann sich wohl keiner guten Aussehens rühmen. Turgola beispielsweise ist gedrungen, mit Hängebusen und vorstehenden Zahnen. Und was Eure zweite Frage betrifft, nun, vielleicht habe ich so manches nicht richtig gedeutet. Dame Petish hat sich oft erboten, mir den Rücken zu massieren, obgleich ich nie über Schmerzen klagte. Dame Gezx ist manchmal ungewöhnlich aufdringlich auf vertrauliche Weise ... Ha hm. Nun, was soll's? Wenn Ihr, wie ich hoffe, mein Teilhaber werdet, müßt Ihr diese Gesten selbst deuten. Ich bitte Euch nur, einem Handwerk, das auf Ehrbarkeit baut, keine Schande durch Leichtfertigkeit zu machen.«
Lachend wies Cugel die Möglichkeit von Leichtfertigkeit von sich. »Ich bin durchaus geneigt, Euer Angebot anzunehmen. Ich könnte auch gar nicht Weiterreisen, da mir die Mittel fehlen. Ich bin deshalb zu einer wenigstens zeitweiligen Anstellung bereit, zu einem Lohn, den Ihr für angemessen haltet.«
»Ausgezeichnet!« rief Nisbet erfreut. »Wir werden alle Einzelheiten später regeln. Und nun ans Werk! Wir müssen Croulsx' Zwanziger heben.«
Nisbet nahm Cugel mit in die Werkstatt im Steinbruch, wo der Zwanziger bereits auf seiner Hubplatte stand: Es war ein fünf Fuß hoher Dolomitzylinder, zehn Fuß im Durchmesser.
Nisbet band mehrere lange Seile an das Steinstück. Nachdem Cugel sich vergebens umgeschaut hatte, fragte er erstaunt: »Ich sehe weder Karren, Kran, noch sonstige Hebevorrichtungen. Wie könnt Ihr, ein einzelner Mann, solche Steinmassen bewegen?«
»Habt Ihr mein Amulett vergessen? Seht! Ich berühre den Stein damit, und er findet den Stoff, aus dem er ist, abstoßend. Ich trete ihn ganz leicht – so! Nicht viel mehr als ein Stupsen –, dadurch hält die Magie gerade lange genug an, ihn an Ort und Stelle zu bringen. Stieße ich ihn härter, fühlte er sich vielleicht einen Monat und länger vom ganzen Land abgestoßen.«
Cugel betrachtete das Amulett ehrfurchtsvoll.
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