Cugel der Schlaue
kehrt Ihr nach Azenomei zurück?«
Wieder schaute Cugel in alle Richtungen. »Um noch einmal auf Iucounu zurückzukommen: Seine zahlreichen Freunde tragen ihm häufig belauschte Gespräche zu und manchmal durchaus nicht, wie sie sie hörten. Deshalb spreche ich nur ungern von ihm.«
»Das ist die richtige Einstellung«, lobte Bazaard. »Meine vier Väter in Llaio sind ebenso vorsichtig.«
Nach einer Weile fragte Cugel: »Ich habe schon viele Väter mit vier Söhnen gekannt, doch nie zuvor einen Sohn mit vier Vätern. Wie ist das zu erklären?«
Verwirrt kratzte Bazaard sich am Kopf. »Ich bin noch nie auf den Gedanken gekommen, danach zu fragen«, gestand er. »Aber ich werde es bei nächster Gelegenheit nachholen.«
Die Reise verlief ohne unliebsame Zwischenfälle, und am Spätnachmittag des zweiten Tages erreichten die beiden Llaio, ein riesiges Herrenhaus mit sechzehn Giebeln.
Ein Stallknecht nahm sich sofort des Wheriots und des Wagens an. Bazaard führte Cugel durch eine hohe, eisenbeschlagene Tür und durch eine Empfangs-halle in einen Saal. Hohe Fenster, jedes mit zwölf violetten Scheiben, dämpften das Licht der Nachmittagssonne; uralte, tiefrote Deckenbalken ließen die dunkle Eichentäfelung der Wände wärmer erscheinen. Ein langer Tisch stand auf einem dunkelgrünen Teppich. Mit dem Rücken zum Feuer saßen dicht beisammen vier Männer von ungewöhnlichem Aussehen – sie hatten nämlich gemeinsam nur ein Auge, ein Ohr, einen Arm und ein Bein. Ansonsten sahen die vier einander sehr ähnlich: Sie waren klein und schmächtig, hatten runde, ernste Gesichter und kurzgeschnittenes schwarzes Haar.
Bazaard machte sie mit Cugel bekannt. Während er sprach, reichten die vier geschickt Arm, Auge und Ohr hin und her, damit ein jeder sich ein Bild des Besuchers machen konnte.
»Dieser Herr ist Cugel«, stellte Bazaard ihn vor. »Er ist ein Edelmann aus dem Twischtal, dem jemand, dessen Name unerwähnt bleiben soll, einen bösen Streich gespielt hat. Cugel, erlaubt mir, Euch mit meinen vier Vätern bekannt zu machen: Disserl, Vasker, Pelasias und Archimbaust. Sie waren einst beachtliche Zauberer, bis auch sie das Opfer eines gewissen heimtückischen Magiers wurden.«
Pelasias, der in diesem Moment sowohl Auge wie Ohr trug, sagte: »Seid herzlich willkommen! Viel zu selten kommt Besuch nach Llaio. Wie habt Ihr unseren Sohn Bazaard kennengelernt?«
»Wir hatten beide nebeneinandergelegene Pavillons bei der Ausstellung«, antwortete Cugel. »Trotz aller Hochachtung für Herzog Orbal bin ich jedoch der Meinung, daß seine Entscheidung ungerecht war. Er verlieh weder Bazaard noch mir den Großen Preis.«
»Ich kann Cugel nur beipflichten«, warf Bazaard ein. »Ich durfte nicht einmal die Lieder meiner bedauerlichen Fische simulieren.«
»Wie schade!« sagte Pelasias. »Doch zweifellos ist die Ausstellung erinnerungswürdig für euch beide, also war es keine vergeudete Zeit. Habe ich recht, Bazaard?«
»Durchaus, Vater. Und da ich gerade daran denke, möchte ich gern, daß du mir eine mich verwirrende Frage beantwortest. Ein einzelner Vater rühmt sich oft vierer Söhne, doch wie kommt es, daß ein einzelner Sohn sich vierer Väter rühmen kann?«
Disserl, Vasker und Archimbaust klopften in schneller Reihenfolge auf den Tisch, und Auge, Ohr und Arm wanderten von einem zum andern.
Schließlich hob Vasker den Arm brüsk: »Die Frage erklärt sich von selbst.«
Archimbaust, der Auge und Ohr übernahm, musterte Cugel eingehend. Besonders schien er sich für Cugels Kappe zu interessieren, an die Cugel, wie früher an seinen Hut, Sprühlicht gesteckt hatte. »Das ist ein erstaunliches Schmuckstück«, sagte Archimbaust.
Cugel verneigte sich höflich. »Ja, ich finde es auch sehr hübsch.«
»Woher habt Ihr es? Möchtet Ihr darüber sprechen?«
Lächelnd schüttelte Cugel den Kopf. »Unterhalten wir uns doch lieber über etwas Interessanteres. Bazaard meint, daß wir einige gemeinsame Freunde haben, einschließlich des edlen und beliebten Iucounu.«
Archimbaust blinzelte verwirrt. »Sprechen wir von dem gleichen, gelben, gemeinen und abstoßenden Iucounu, der auch als der ›Lachende Magier‹ bekannt ist?«
Cugel zuckte schaudernd zusammen. »Ich würde nie eine so beleidigende Bemerkung über den teuren Iucounu machen, schon gar nicht, wenn ich befürchte, daß einer seiner getreuen Spione es hören kann.«
»Aha!« rief Archimbaust. »Nun verstehe ich Eure Zurückhaltung. Nur keine Angst! Uns schützt
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