Cugel der Schlaue
werde jedes Fünkchen Kraft für meine Zwecke brauchen. Also, her damit!«
Cugel ließ die echte Schuppe in seine behandschuhte Handfläche gleiten und verbarg die falsche. Mit düsterer Stimme sagte er: »Nur widerstrebend und voll Seelenleid gebe ich mein Kleinod auf. Darf ich es ein letztes Mal an meine Stirn halten?«
»Auf keinen Fall!« rief Iucounu heftig. »Ich beabsichtige ihn an meine eigene Stirn zu drücken! Legt endlich die Schuppe auf die Werkbank und tretet zurück!«
»Wie Ihr wollt!« Cugel seufzte. Er plazierte Sprühlicht auf die Bank, griff nach seinem Schwert und schlurfte mit hängendem Kopf aus dem Raum.
Mit hörbar zufriedenem Zungenschnalzen hob Iucounu die Schuppe an seine Stirn.
Cugel stellte sich neben den Springbrunnen in der Vorhalle und stützte einen Fuß auf den niedrigen Rand. In dieser Haltung lauschte er angespannt den schrecklichen Geräuschen, die sich Iucounus Kehle entrangen.
Stille zog im Arbeitsgemach ein.
Mehrere Augenblicke vergingen.
Ein klopfendes Krachen drang an Cugels Ohr.
Mit schwerfälligen Hopsern und Sprüngen bewegte Sadlark sich in die Vorhalle. Er setzte seine Schreiter auf die Art von Füßen ein, doch mit keinem großen Erfolg. Immer wieder stürzte er heftig und rollte sodann mit rasselnden Schuppen über den Boden, ehe er wieder zu stehen kam.
Die letzten Sonnenstrahlen der Spätnachmittagssonne schienen durch die Tür. Cugel rührte sich nicht. Er hoffte, Sadlark würde ins Freie schwanken und in die Überwelt zurückkehren. Doch da blieb der Dämon stehen, schnappte nach Luft und keuchte: »Cugel! Wo ist Cugel? Alle Kräfte, die ich verschlungen habe, einschließlich Aal und Wiesel, fordern, daß Cugel sich ihnen zugeselle! Cugel, meldet Euch! Bei diesem seltsamen Erdenlicht vermag ich nicht zu sehen. Deshalb bin ich auch in den Schlamm gestürzt.«
Cugel verhielt sich völlig still, ja wagte kaum zu atmen. Sadlark drehte ganz langsam den roten Knoten seines Himmelsbrechers. »Ah, Cugel, da seid Ihr ja! Rührt Euch nicht vom Fleck!«
Sadlark taumelte vorwärts. Seinen Befehl mißachtend rannte Cugel zur anderen Brunnenseite. Verärgert über Cugels Ungehorsam sprang Sadlark durch die Luft. Cugel griff nach einem herumstehenden Becken, schöpfte damit Wasser und schüttete es Sadlark entgegen, der dadurch aus dem Gleichgewicht kam und platschend in den Brunnen fiel.
Das Wasser zischte und brodelte, bis Sadlarks Kräfte aufgebraucht waren. Da lösten die Schuppen sich und sanken wirbelnd zum Grund des Brunnens.
Cugel tastete unter den Schuppen herum und fand schließlich Sprühlicht. Er wickelte es in mehrere Lagen feuchten Tuches, trug es ins Arbeitsgemach und gab es in einen Behälter mit Wasser, den er versiegelte und wegstellte.
Stille herrschte in Pergolo, doch Cugel fand seine innere Ruhe nicht, denn alles hier erinnerte an Iucounu. Konnte es sein, daß der Lachende Magier ihn irgendwie heimlich beobachtete und nur mit Mühe sein Lachen unterdrückte, während er sich wieder einen seiner Streiche ausdachte?
Cugel durchsuchte Pergolo mit größter Sorgfalt, fand jedoch keinerlei bedeutsame Hinweise, außer Iucounus Daumenring mit dem schwarzen Opal, der unter den Schuppen im Brunnen lag. Und endlichgewann Cugel die Überzeugung, daß Iucounu nicht mehr war.
An einem Ende der Tafel saß Cugel, am anderen Bazaard. Disserl, Pelasias, Archimbaust und Vasker hatten sich an beiden Seiten verteilt. Die fehlenden Körperteile hatten sich im Schatzgewölbe gefunden, waren aussortiert und ihren ursprünglichen Besitzern zu deren unendlicher Freude zurückgegeben worden. Sechs Sylphen servierten das Festmahl, dem zwar die ausgefallene Würze und erstaunliche Zusammenstellung Iucounuscher Art fehlte, das aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb voll Genuß gespeist wurde.
Die verschiedensten Trinksprüche wurden ausgebracht: auf Bazaards Geschicklichkeit, die Geistesstärke der vier Zauberer, Cugels mutige List. Nicht nur einmal, sondern mehrere Male fragten die fünf Cugel, was er nun zu tun beabsichtige, doch jedesmal schüttelte er trübe den Kopf: »Jetzt, da Iucounu nicht mehr ist, fehlt mir der nötige Ansporn. Ich blicke in keine Richtung und habe keine Pläne.«
Nachdem er seinen Kelch geleert hatte, sagte Vasker, was alle dachten: »Ohne Ziel vor Augen ist das Leben schal.«
Auch Disserl hob seinen Kelch und trank ihn aus, dann wandte er sich an seinen Bruder. »Ich glaube, diesen Gedanken äußerten schon andere vor dir. Ein
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