Cumberland Nash (German Edition)
und
ließ den Blick durch das Zimmer schweifen.
Als er einen roten Schimmer neben dem Kopf des Patienten sah,
kniff er verzweifelt die Augen zusammen und rieb sich anschließend
fest darüber. Es half nichts, noch immer schienen seine Sinne ihm
einen Streich zu spielen. Hamilton war kurz versucht, einfach den
Raum fluchtartig zu verlassen, stattdessen ließ er sich allerdings in
den Besuchersessel fallen, der in der Ecke des Zimmers stand. Er
beugte sich vor, stützte die Ellenbogen ab und barg das Gesicht in
den Händen.
„Verdammt ich nehme doch keine Drogen oder saufe“, presste er
zwischen seinen Fingern hervor und holte tief Luft.
Es dauerte einen Moment, bis Hamilton das Gesicht aus seinen
Händen löste. Seine Augen suchten forschend das Zimmer ab, doch
nirgends waren Farben zu sehen, geschweige denn Luftzüge zu
spüren.
Der Mann atmete erleichtert auf und erhob sich. Er beschloss, dass
es so wichtig war zu schlafen, dass er die Couch seines Büros
bevorzugen würde. Um vier wäre Feierabend, und da er um neun
wieder zur Nachtschicht bereit sein musste, wäre es Unsinn noch
eine Stunde für die Fahrt einzukalkulieren. Die Personalduschen
täten es ebenso und alles, was er brauchte, hatte er hier in seinem
Spint.
Unzufrieden brummend verließ er das Zimmer des Patienten und
war froh, dass der Wartebereich vor der Station fast leer war.
Lediglich der schwarzhaarige Mann mit der Brille saß dort und
starrte an die Wand.
Mark Hamilton musterte diesen neugierig, schien dieser doch so
ganz anders zu sein, als die beiden schrägen Vögel, die zuvor noch
dabei gesessen hatten. Ausgenommen von dem Blonden, der sich
als Detective Summer vorgestellt hatte, aber nach kurzer Zeit wieder
verschwand.
Der Dunkelhaarige trug Kleidung, die eindeutig nicht von der
günstigen Sorte war. Das ganze Erscheinungsbild war konservativ
und ebenso zurückhaltend, wie die rahmenlose Brille im Gesicht des
Mannes.
Erst jetzt bemerkte er, dass genau diese Gläser auf ihn gerichtet
waren und Augen ihn genauso neugierig musterten.
„Ich brauche wohl nicht fragen, nicht wahr?“, drang es leise an sein
Ohr.
Hamilton hörte den Akzent heraus und hob überrascht die Brauen.
Britischer konnte man nicht klingen, als der Mann, der dort saß. Die
Stimme klang warm, ein wenig schüchtern und gleichzeitig besorgt.
„Ich bin ratlos“, erwiderte Mark offen.
Der schwarzhaarige Mann nickte und dessen Miene schien noch ein
Stück bedrückter zu werden, als sie es zuvor schon war.
Der Blick, der auf Hamilton ruhte, schien auf einmal mild zu werden,
dann erklärte der Brite leise: „Sie sehen müde aus, Doc.“
Mark nickte nur, denn er war es auch mehr als nur eindeutig.
Überrascht sah er, wie das Kinn des Engländers auf den
Kaffeeautomaten deutete, der in einer Ecke aufgestellt war.
„Ich gebe einen aus, oder haben Sie viel zu tun?“
Er zögerte einen Moment. Der Papierkram, der noch auf ihn wartete,
würde heute sowieso liegen bleiben, ihm fehlte die Konzentration
dafür. Der Mann, der ihn gerade einlud, hatte irgendwie eine
beruhigende Wirkung, was ihm nach den seltsamen Halluzinationen
ausgesprochen gut tat.
Er kramte in seiner Tasche, hielt den Pieper hoch und erklärte:
„Solange der hier schweigt, kann ich einen Kaffee trinken.“
Der Arzt ging langsam auf die uneinladenden Plastikstühle zu,
während der Schwarzhaarige sich erhob.
„Ethan Steel“, stellte dieser sich freundlich vor und bot ihm die Hand
an.
Er schüttelte diese und erwiderte: „Mark Hamilton.“
Kaum hatten die beiden mit einem Kaffee auf den unbequemen
Sitzen Platz genommen, eröffnete der Mediziner mit der Frage,
woher Ethan stammte, das Gespräch.
Als knapp dreißig Minuten später der Pieper ansprang und ihn zur
Arbeit aufforderte, kam ihm die Störung ungelegen. Der Engländer
hatte sich als ausgesprochen angenehmer Gesprächspartner
herausgestellt. Sie unterhielten sich nur über belanglose Themen,
aber gerade das kam ihm in diesem Moment sehr entgegen.
Sie verabschiedeten sich freundlich voneinander, und während Mark
Hamilton auf den Fahrstuhl wartete, wurde er sich bewusster denn
je, wie sehr er in den letzten zwei Jahren seine persönlichen
Kontakte vernachlässigt hatte.
Kaum hatte er den Posten als stellvertretender Chefarzt in dieser
Klinik übernommen, bestand er eigentlich nur noch aus Arbeit. Er
stellte gerade mit aller Macht fest, dass es ihm fehlte, sich über Gott
und die Welt zu unterhalten, statt über Büchern zu sitzen oder
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