CUT
Die nächsten vierzig Minuten schaue ich
mindestens achtzig Mal auf die Uhr, während ich mich darauf konzentriere, mir
nicht anmerken zu lassen, dass das wehtut, was sie tut. Als sie die Nadel
absetzt und mir den Arm im Spiegel zeigt, bin ich dafür von den Socken.
„Das ist ja voll geil!“, staune ich.
„Ich mach Dir jetzt ein kühlendes Teil
drauf, und dann nehme ich mir Deine Pobacke vor“, grinst sie und packt mir eine
komische Salbe auf den Arm. Dann soll ich mich bäuchlings auf eine Liege legen
und die Hose ausziehen.
„Tu nicht so, als würdest Du das jetzt
zum ersten Mal machen“, stichelt sie, während ich mich mit staksigen Beinen auf
das Teil lege. Ich rolle mit den Augen. Dann geht es weiter, aber es dauert
nicht so lange wie beim ersten Mal. Nach einer Viertelstunde ist sie fertig,
ich werde wieder eingesalbt und soll noch zwanzig Minuten liegen bleiben. Die
Salbe am Arm ist bereits eingezogen und hat meine Neuerwerbung scheinbar
versiegelt. Der Arm tut nicht mehr weh, auch wenn ich ihn bewege. Sie grinst.
„Nicht überbeanspruchen, aber eigentlich
kann nix mehr passieren. Fürs Auto gebe ich Dir noch ein Kissen mit... und wenn
Du ne Sitzheizung hast, dann kannste die auch anmachen. In einer Stunde ist
alles bestens“, erklärt sie mir, während ich mich wieder anziehe.
Draußen lehnt die Werthmann schon an
meinem Auto.
„Der Herr Bauer... pünktlich wie immer“,
ätzt sie. Ich bin versucht, sie einfach stehen zu lassen und stattdessen
alleine heimzufahren. Ich kann nicht sagen, ob sie das gerochen hat, aber sie
lenkt tatsächlich ein.
„Ich warte ja erst zwei Minuten“, lächelt
sie.
„Danke fürs Abholen. Soll ich Ihnen
zeigen, wo ich wohne, oder wissen Sie das schon?“, fragt sie mich.
„Zeigen Sie es mir bitte.“ Sie zeigt mir
den Weg in eine Reihenhaussiedlung, wo ich den Dienst-Benz in eine Einfahrt
parke. Am Briefkasten steht „H. & K. Werthmann“.
„Ach, kommen Sie ruhig mit rein, es
dauert sowieso einen Moment“, bietet sie mir an.
„Gern, wenn Ihr Mann nichts dagegen hat“,
erwidere ich höflich.
„Mein Mann?“, fragt sie zurück.
„H. Werthmann“, meine ich. Sie lacht.
„Das 'H' steht für 'Hertha' und das ist
meine Mutter. Ich bin nicht verheiratet“, erklärt sie mir, dabei rot werdend.
Huch? Geniert sie das etwa? Ich bin ja auch nicht verheiratet... es gibt also
Schlimmeres.
Als sie die Tür aufschließt, fühle ich
mich sofort in die Siebziger zurückversetzt. Gehäkelte Deckchen auf dem
Telefontischchen, ein grünes Wählscheibentelefon im Flur, Teppiche an der Wand,
gestickte Bildchen mit Blumenmotiven, komische Lampen, Nierentische, Sessel und
so ein Zeug. Die Küche ist eines dieser klassischen Modelle aus den
Achtundsechzigern. Die Frau in der Küche ist allerdings keine
Achtundsechzigerin. Ich schätze die auf Ende Fünfzig, Anfang Sechzig. Geblümtes
Kleid, Kittelschürze, graues Haar. Sie mustert mich misstrauisch, ignoriert
mich dann, während ich im Flur stehe und die Einstiche auf dem gestickten Edelweißbild
zähle, Reihe für Reihe. Oben rumort die Werthmann rum. Nach einer Weile kommt
sie mit einem kleinen Koffer, einer Aktentasche und einem Kosmetikkoffer wieder
herunter. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. Sie trägt einen Jeansrock und
ein Trachtenoberhemd, dazu Leder-Stiefeletten.
„Wir können dann“, plaudert sie. Auf der
Fahrt nach Steinwalden erzählt sie mir alle möglichen Schwänke aus ihrer
Jugend, während ich mir krampfhaft das Lachen verkneife. Wenn ich kein neues
Tattoo auf der Pobacke hätte, würde ich mir wahrscheinlich in den Arsch beißen.
In unserer Villa führe ich die Werthmann
direkt auf den Dachboden, wo es inzwischen aussieht wie bei Hempels unterm
Sofa. Auf den zweiten Blick ist da oben alles verkabelt. Klara Werthmann
hoppelt mühsam durch den Weg zwischen den Truhen und Kisten, und verzieht das
Gesicht, als sie ihre neue Unterkunft sieht.
„Guten Tag, Herr Scott“, sagt sie mit
verkniffener Miene.
„Guten Tag, Frau Werthmann“, lächelt
Steven.
„Eins sag ich Ihnen: Hier ist
schwulenfreie Zone. Sie mal ausgenommen, denn ich muss ja auf Sie aufpassen.
Aber hier gibt’s kein Gefummel, kein Ei-Tei-Tei und auch kein Sonst was,
verstanden?“, keift sie.
„Zicke“, antwortet Steven leise.
„Und Sie laufen hier nicht unnötig rum,
sonst muss ich Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit ans Bett ketten“, grinst sie
diabolisch.
„Da stehen Sie ja drauf, oder?“
„Das kommt ganz
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