Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
Vom Netzwerk:
zu räkeln.
    Hauptsache, das Boot bringt sie nach Chunar.
    »Du wirst irgendwo hier landen.« Anand breitete die hochaufgelösten A4-Ausdrucke der Karte von der Region Chunar auf seinem Kaffeetisch aus. Kif-Kaffee köchelte auf dem Grill. Anand tippte mit dem Finger auf die Karte. »Die Stadt Chunar liegt etwa fünf Kilometer südlich. Ich nenne sie nur deshalb Stadt, um höflich der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sie an einer Brücke über den Ganges liegt. Chunar ist ein ländliches Drecksnest voller Kuhficker und Inzest. Das einzig Interessante ist das Fort. Hier, ich habe ein paar Ausdrucke.«
    Anand verteilte Hochglanzbilder. Shiv blätterte durch die Fotos. Die Geschichte des Ganges war die Geschichte von Forts wie Chunar, in historischer Unvermeidlichkeit auf Landzungen und Bergkuppen errichtet, wo sich der Fluss krümmte – Macht, Dynastie, Intrigen, Gefangenschaft, Belagerung, Angriff. Und nun ein letzter Angriff. Er verweilte bei der Innenstadt, zerfallene Raj-Moghul-Architektur, überdeckt von ausgreifenden Vordächern aus Carbonit, weiß wie Salz in der Sonne. »Ramanandacharya ist ein protziger Chuutya, aber nur er macht was los in der Stadt. Neben dem Sundarban gehört ihm ein Callcenter. Du solltest in sein System eindringen und nachsehen, was er getrieben hat; wenn du seine schwarze Kredit-Liste hacken willst, werden sie den Kode für dich knacken, während du wartest. Jeder Adivasi ist seinem Häuptling treu ergeben. Du gehst rein, erledigst deine Sache, gehst raus und wartest nicht auf Danksagungen oder Küsschen. Jetzt zu den Verteidigungseinrichtungen von Chunar Fort.«
    Flugzeuge hämmern so laut und niedrig am Himmel, dass Shiv den Kopf einzieht. Yogendra steht im Bug, dreht sich, um ihren Lichtern nachzuschauen, vier Senkrechtstarter in enger Formation. Shiv sieht das Licht der Stadt auf seinen Zähnen funkeln.
    »Pumpen, pumpen!«
    Er arbeitet an der knarrenden Handpumpe, schaut, wie sich das Wasser um die mit Plastik versiegelten Pakete sammelt. Es wäre besser, das alberne, empfindliche Ding über Bord zu werfen und mit den Händen zu schöpfen. Amerikaner und ihre Maschinen. Für alles gibt es etwas. Begreift doch, dass Menschen besser und billiger sind! Ihr könnt sie bestrafen, und sie werden lernen.
    Der Donner zieht westwärts. In seinem Gefolge verdoppelt der Regen sein Gewicht. Auf dem linken Ufer weichen die Gasfackeln der Aufbereitungsanlagen den schweren Sandsteinblöcken von Ramnagar Fort – unter der Flutlichtanlage ein beeindruckendes Täuschungswerk. Yogendra steuert das Boot unter die Pontonbrücke, die selbst während eines Wolkenbruchs ein Schwert aus Lärm ist. Shiv betrachtet Ramnagar; Terrassen und Pavillons steigen hinter dem roten Vorhang aus Wänden auf, mit den Füßen im Wasser. Bleib ruhig stehen, denkt Shiv. Warte nur, bis ich zurückkomme, bis ich deine Schwester flussaufwärts eingenommen habe, dann werden wir sehen, wie stolz und trotzig du dann mit deinen Mauern und Türmchen aussiehst. Eine wahre Aufgabe für einen Raja, die Einnahme einer Festung. Nicht durch Belagerung oder an der Spitze von tausend Elefanten, sondern durch Klugheit, durch Stil. Shiv Faraji, der Actionheld.
    Nun nähert sich das schnelle, kleine Boot der neuen Brücke. Yogendra überprüft den Kanal mit stehendem Wasser und prescht hinein. Ein Lastwagen ist von der Straße abgekommen und im seichten Wasser versunken. Ein Hindernis aus dekorativem Metall, das kaum noch als Fahrzeug zu erkennen ist. Der Geruch von Alkosprit liegt über dem Fluss. Unter dem Gestank des Treibstoffs: Parfüm. Shiv reckt den Kopf, als er den ekeligen Geruch von Tagetes wahrnimmt. Geruch ist der Schlüssel der Erinnerung, ein schnelles Aufblitzen, wo er das schon mal gerochen hat: die dicken Reifen seines Mercedes, die Blütenblätter zerquetscht haben, als der Geländewagen hier das Ufer hochgefahren ist. Tagetes überdecken verwesendes Fleisch, der aufquellende Körper, den er in das Wasser des Ganges gleiten ließ, das Wasser, das er jetzt befährt. Er hat die Reise der Leiche nachverfolgt, fort vom Moksha.
    »He!« Yogendra löst den Ohrhörer seines Palmers und hält ihn hoch, damit Shiv ihn sehen kann. »Radio Kashi.« Shiv dreht den Sender auf. Eilmeldung, Stimmen überschlagen sich, reden über Soldaten, Luftangriffe, Kampfmaschinen. Kunda Khadar. Die Awadhis haben Kunda Khadar eingenommen. Die Awadhis sind auf den heiligen Boden von Bharat vorgedrungen. Die Awadhis sind dabei, Allahabad einzunehmen,

Weitere Kostenlose Bücher