Cyberabad: Roman (German Edition)
Aber er kommt zu spät. Ihr Volk kann während einer Sintflut verdursten.
Sie wussten es. Die Mistkerle hatten alles auf die Minute genau durchkalkuliert.
In ihrem weißen, goldenen und grünen Sari versucht Sajida Rana sich vorzustellen, welchen Geschmack die Worte einer Kapitulationserklärung auf ihrer Zunge haben werden. Fühlen sie sich aufgequollen, erstickend an? Oder trocken und säuerlich? Werden sie ihr so leicht fallen wie einem Muslim, der sich von seiner Frau scheidet? Talaaq talaaq talaaq.
Khan. Der treulose Muslim. Er hat sie betrogen, mit einem Ding . Während sie seine Worte, seine Einsichten, seine Gegenwart an ihrer Seite auf dem cremefarbenen Leder am dringendsten braucht. Wenn Jivanjee und seine Karsevaks wüssten, dass sie auf kuhfarbenem Leder sitzt ... Lassen Sie Jivanjee Ihre Arbeit machen , hatte Khan gesagt. Jetzt wird er mit seinem Streitwagen über ihre Knochen hinwegrollen. Nein. Sie ist eine Rana, die Tochter eines Staatengründers, der eine Dynastie errichtete. Sie ist Bharat. Sie wird kämpfen. Soll der Ganges vom Blut überfließen.
»Wohin fahren wir?«
»Der Verkehr, Ma’am«, sagt der Fahrer. Sajida Rana lehnt sich auf dem Polstersitz zurück und blickt durch die regenüberströmten Fenster. Neon- und Rücklichter, die bunten Diwali-Illuminationen der Laster. Sie drückt auf die Kommunikationstaste.
»Das ist nicht der übliche Weg zur Bharat Sabha.«
»Nein, Ma’am«, sagt der Fahrer und tritt das Gaspedal durch. Sajida Rana wird herumgewirbelt. Sie probiert den Türriegel, obwohl sie weiß, dass es unsinnig ist, nachdem sie das solide Klicken der Zentralverriegelung der deutschen Wertarbeit gehört hat. Sie öffnet ihren Palmer, ruft ihre Leibwache, während der Mercedes auf hundertzwanzig beschleunigt.
»Hier ist die Premierministerin, Notfallkode. Orten Sie mein GPS -Signal. Ich werde entführt, ich wiederhole, hier ist Sajida Rana, ich werde entführt.«
Himmelsrauschen. Dann meldet sich die Stimme ihres Sicherheitschefs.
»Premierministerin, das werde ich nicht tun. Niemand wird Ihnen helfen. Sie haben das heilige Bharat verraten, und Bharat wird Sie dafür bestrafen.«
Dann biegt der Mercedes auf den Sarkhand Roundabout, und das Geschrei beginnt.
Fünfter Teil – JYOTIRLINGA
46 Ensemble
Der Bharatiya Vayu Sena Airbus Industries A510 wird leicht durchgeschüttelt, während er durch die Wolkenschicht über Varanasi aufsteigt. Ashok Rana hält sich an den Armlehnen fest. Fliegen war noch nie sein Ding gewesen. Er blickt durch das Fenster und den Regen auf die leuchtenden Streifen, die hinter ihnen zurückbleiben. Der Flugzeugrumpf vibriert, als die ECM -Drohnen aus den Behältern unter den Flügeln starten. Über Varanasi hat es schon seit Tagen keinen militärischen Flugverkehr der Awadhis mehr gegeben, aber die Luftwaffe will den neuen Premierminister keinem Risiko aussetzen. Ashok Rana überlegt, dass es möglich sein müsste, aus dem Winkel der Regentropfen auf der Glasscheibe die Geschwindigkeit der Maschine abzuleiten. Seit er mitten in der Nacht den Anruf von Sekretär Narvekar erhalten hat, schießen ihm immer wieder solche irrelevanten Gedanken durch den Kopf.
Erneut geht ein Ruck durch das Flugzeug, das sich durch den Monsun vorankämpft. Ashok Rana schaltet den Bildschirm in der Armlehne ein. Die Kamera zeigt seine Frau und seine Töchter, die hinten in der Presseabteilung sitzen. Sushmitas Gesicht spannt sich ängstlich an, als der Airbus ein weiteres Mal durchgeschüttelt wird. Anuja sagt etwas Tröstendes, nimmt ihre Hand. Im Premierminister-Ledersessel erlaubt sich Ashok Rana ein kleines Lächeln. Er wünscht sich, es gäbe hier eine Kamera, damit sie ihn sehen können. Sie wären nicht so ängstlich, wenn sie ihn sehen könnten.
»Premierminister.«
Sein Parlamentarischer Privatsekretär dreht sich mit seinem Sitz zu ihm herum und reicht ihm über den Tisch hinweg einen bekritzelten Ausdruck.
»Wir haben hier einen Entwurf der Rede. Wenn Sie sich mit den wichtigsten Punkten vertraut machen würden ...«
Das Flugzeug des Premierministers ruckelt ein letztes Mal, bevor es in klare Luft vorstößt. Durch das Fenster sieht Ashok Rana die mondbeschienene Oberfläche eines stürmischen Wolkenmeers. Der Pilot schaltet mit einem Pling die Anschnallzeichen aus, und im nächsten Moment sind überall im Kunststoffrumpf Klingeltöne zu hören. Jeder Politiker und jeder Beamte ist von seinem Sitz aufgestanden und drängt sich um den Konferenztisch. Sie
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