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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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ein Inside-Job, aber es war niemand aus dem Ensemble. Sehen Sie, hier?« Thal sammelt mehrere Kodes ein und breitet sie auf einem räumlichen Gitter aus. »Diese Bits hier sind völlig normal. Um Speicherplatz zu sparen, sind viele Kaih-Schauspieler geringerer Stufe als Sub-Applikation einer Kaih höherer Stufe angelegt. Anita Mahapatra enthält außerdem Narinder Rao, Mrs. Devgan und die Begum Vora, und sie wiederum enthalten vielleicht fünfzig Redshirts.«
    »Redshirts?«
    »Entbehrliche Statisten. Ich glaube, das ist ein amerikanischer Begriff. Das hier ist eine Liste aller Zugriffe auf das Set-Design-System in letzter Zeit. Sehen Sie? Jemand war in den vergangenen achtzehn Monaten regelmäßig in meinen Designdateien. Aber das richtig Verrückte daran ist, dass alle diese normalen Kode-Abschnitte auf einen Schauspieler noch höherer Stufe deuten, einen, der Lal Darfan und Aparna Chawla und Ajay Nadiadwala enthält. Es ist, als würde hier drinnen noch etwas anderes ablaufen, das wir nicht sehen können, weil es zu groß ist.«
    Im cremefarbenen Haus am Wasser gab es einen Atlas in der Größe eines Kleinkinds. In den Winternächten, wenn die Wasserleitungen gefroren waren, wuchtete Najia im Alter von acht Jahren das Ding vom Regal herunter, öffnete es auf dem Boden und verlor sich in anderen Klimazonen. Bei einem Spiel mit ihren Eltern ging es darum, dass man einen Begriff aus einer Landkarte heraussuchte und dann möglichst schnell den Finger darauf legte. Sie hatte früh festgestellt, dass man am leichtesten gewinnen konnte, wenn man sich auf die großen und offensichtlichen Bezeichnungen konzentrierte. Das Auge, das die Städte und Dörfer und Bahnhöfe von Mato Grosso absuchte, übersah den Namen BRASILIEN , der sich in blassgrauen Lettern von der Größe ihres Daumens über die Landkarte zog. Die Buchstaben versteckten sich ganz offen zwischen dem Kleingedruckten.
    Najia blinzelt sich aus Thals Spiraltanz der Kodes und Dateiadressen zurück in die dunkle Arbeitskabine. Sie ist in einem Würfel aus Regen gefangen. Ein Masterskript, das sich selbst geschrieben hat? Eine Soap Opera wie Indiens sieben Millionen Götter, Avatare und Emanationen, die durch die Ebenen der Göttlichkeit von Brahma herabsteigen, dem Absoluten, dem Einen?
    Dann sieht sie, wie sich Thal vom Computer wegschiebt, den Mund furchtsam geöffnet, eine Hand erhoben, um den bösen Blick abzuwehren. In der gleichen Perspektive sieht sie Pande mit seinem gelben Turban, der völlig aufgelöst in die Abteilung stürzt.
    Thal: »Das ist unmöglich ...«
    Pande: »Sir Madam, Sir Madam, kommen Sie schnell kommen Sie schnell, die Premierministerin ...«
    Dann geht Najia Askarzadahs Hoek mit einem Blitz auf vollen Prop, und sie wird von Thal und Pande und von Indiapendent im Monsun fortgerissen, zu einem hellen, hohen Ort, zu einer mit Seide drapierten Aussicht zwischen den Wolken. Sie weiß, wo sie ist. Sie ist schon einmal hierhergerufen worden. Es ist der fliegende Elefantenpavillon von Lal Darfan, der parallel zu den Gipfeln des Himalaya dahintreibt. Doch der Mann auf dem mit Kissen gepolsterten Thron vor ihr ist nicht Lal Darfan. Sondern N. K. Jivanjee.

44 Shiv
    Yogendra steuert das Boot hinaus in den Strom der brennenden Diyas. Monsunwinde wühlen den Ganges auf, aber die Näpfchen aus Mangoblättern tanzen weiter auf dem unruhigen Wasser. Shiv sitzt mit gekreuzten Beinen unter der Plastikplane, klammert sich an der Bordwand fest und versucht das Gleichgewicht auszuloten. Er betet, dass er nicht kotzen muss. Er blickt sich zu Yogendra um, der im Heck kauert, die Hand ruhig an der Pinne des Alkospritmotors, während seine Augen den Fluss lesen. Seine Haut ist von Regenperlen überzogen, die ihm von den Haaren ins Gesicht rinnen, seine Kleidung klebt an ihm. Shiv denkt an Ratten, die er schwimmend in offenen Kloaken am Straßenrand gesehen hat. Doch die um Yogendras Hals verknoteten Perlen leuchten.
    »Pumpen, pumpen«, befiehlt Yogendra. Shiv beugt sich zur kleinen Lenzpumpe. Schneller, als die Handpumpe abpumpen kann, füllt der Regen das Boot, ein handliches, kleines amerikanisches Wildwasserboot mit Ikonographie des Pazifischen Nordwestens auf dem Bug, obwohl Shiv ein Auge des Shiva lieber gewesen wäre. Das ist keine Arithmetik, die Shiv allzu genau betrachten möchte. Er kann nicht schwimmen. Für einen Raja beschränkt sich die Erfahrung mit Wasser darauf, sich im seichten Ende eines Pools mit Mädchen und Drinks auf schwimmenden Tabletts

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