CyberCrime
Internetprovider eintreffen, landet eine Kopie stets bei der FSB -Zentrale in Moskau, wo sie je nach Lust und Laune des Geheimdienstes gelesen, ausgewertet, ausgelacht oder (wer weiß?) als Indiz gegen den Nutzer verwendet werden kann. Zumindest aber wird sie gespeichert.
SORM -2 schreibt nicht nur vor, dass alle russischen Internetprovider ihren gesamten Datenverkehr an die FSB -Zentrale weiterleiten müssen; es kommt noch schlimmer: Die Internetprovider müssen auch die erforderliche Technik kaufen (was Kosten von mehr als 10.000 Dollar verursacht) und den Betrieb finanzieren. Diese Kosten werden natürlich an die Verbraucher weitergegeben; diese bezahlen also indirekt ein riesiges Unterdrückungsinstrumentarium, dessen wichtigste Opfer sie selbst sind.
Der russische Staat kann also wissen, wer wann wem was im Netz antut, und oftmals auch, warum. Natürlich könnte ein gewitzter russischer Computernutzer einen Plan aushecken, um das allwissende SORM -2 auszuhebeln: Dazu braucht man nur Daten und Browseraktivitäten zu verschlüsseln. Aber wie bereits erwähnt, ist Verschlüsselung in Russland verboten, und eine einzige Datei mit einem digitalen Schloss reicht aus, um jemandem ein Einwegticket nach Sibirien zu verschaffen.
Damit soll nicht gesagt sein, dass der Umgang westlicher Staaten mit dem Internet ein Musterbeispiel für Meinungsfreiheit ist. Im Gegenteil: Mit unserer Abhängigkeit vom Internet wachsen auch die Bestrebungen, die Fähigkeiten und der Wille der Regierungen, es zu kontrollieren. Trotz der üblichen Beteuerungen von Beamten und Politikern, es gebe keine solchen Entwicklungen, ist der qualvolle, langsame Tod des Internet-Datenschutzes insbesondere in Großbritannien und den Vereinigten Staaten eine traurige und deutlich sichtbare Realität, und vermutlich ist er unvermeidlich.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde der Schutz vor staatlichen Eingriffen ins Web im Namen der Terrorismusbekämpfung stark eingeschränkt. Das wichtigste Hilfsmittel war in den Vereinigten Staaten das Programm Total Information Awareness ( TIA ), aber selbst die Bush-Regierung mit ihren traditionell tauben Ohren musste irgendwann erkennen, welche Orwell’schen Assoziationen der Name weckte, und so wurde das Programm in Terrorism Information Awareness ( TIA ) umbenannt.
Es verschaffte der DARPA , der Forschungs- und Ermittlungsabteilung des Pentagon, in großem Umfang Zugang zu Daten aus der privaten Kommunikation. Das Programm wurde zwar letztlich beendet, aber viele Befugnisse blieben bestehen und wurden auf verschiedene US -amerikanische Behörden verteilt.
Darüber hinaus gestattete der Oberste Gerichtshof dem FBI in einem Musterprozess, Keylogger-Trojaner in die Computer von Verdächtigen einzuschleusen, allerdings nur unter richterlicher Aufsicht. Auf diese Weise konnte das FBI alles aufzeichnen, was der Verdächtige mit seinem Computer tat, genau wie ein Cyberverbrecher, der den Rechner eines anderen mit einem Keylogger infiziert. Das Europäische Parlament bestätigte zur Jahrtausendwende die Existenz von Echelon, eines weltweiten Spionageprogramms der Vereinigten Staaten, das sich angeblich überall auf der Welt in die digitale Kommunikation einklinken kann.
Nach einer EU -Richtlinie, die unter der britischen Ratspräsidentschaft erlassen wurde, sind Internetprovider in Europa verpflichtet, den gesamten Datenverkehr und auch Handygespräche sechs Monate bis zwei Jahre lang zu speichern – Daten, auf die verschiedene staatliche Behörden dann je nach den nationalen Gesetzen zugreifen können. Wenn sich diese Entwicklung in Richtung einer digitalen Überwachung fortsetzt, können die westlichen Regierungen (in der Regel im Namen von Terrorabwehr und Polizeiarbeit) die Bewegungen und Gewohnheiten ihrer Bürger nach und nach immer besser überwachen.
Am besten beschrieben Wissenschaftler der London School of Economics den eingeschlagenen Weg. Im Juni 2009 forderten sie die Öffentlichkeit auf, sich Folgendes vorzustellen:
Die Regierung hat einen tauben Sicherheitsbeamten, der jede einzelne Person auf allen ihren Wegen verfolgt. Der Beamte kann den Inhalt von Unterhaltungen nicht belauschen, ansonsten aber jedes noch so kleine Detail im Leben eines Menschen beobachten: wann er aufwacht, wie er zur Arbeit fährt, mit wem er wie lange spricht und wie seine Geschäfte laufen, wie es um seine Gesundheit steht, wen er auf der Straße trifft, mit wem er soziale Beziehungen pflegt, welche politischen
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