CyberCrime
Ansichten er hat, welche Zeitungen und welche Zeitungsartikel er liest und wie er darauf reagiert, welche Lebensmittel er im Einkaufswagen hat, ob er sich gesund ernährt, wie gut die Ehe funktioniert, welche außerehelichen Affären jemand hat, mit wem er sich verabredet und welche intimen Beziehungen er pflegt. Da die meisten derartigen Interaktionen heute auf irgendeiner Ebene durch Telekommunikationsdienstleistungen vermittelt oder durch mobile Geräte erleichtert werden, liegen alle diese Informationen nun bei unseren Internetprovidern, wo sie nur darauf warten, dass die Behörden darauf zugreifen.
Zumindest im Westen haben wir noch die Chance, einen Teil der drakonischen Maßnahmen zu verhindern, die verschiedene staatliche Behörden anwenden wollen, um den Internetverkehr ihrer Bürger zu überwachen.
Angesichts des starken Bürgerrechtsbewusstseins im Westen und der umfassenden Internetüberwachung des KGB könnte man annehmen, dass Russland für Cyberkriminelle ein unerbittlich feindseliges Umfeld darstellt. Dennoch ist die Russische Föderation zu einem der großen Zentren der weltweiten Cyberkriminalität geworden. Die Aufklärungsrate der Polizei ist beklagenswert gering, und die Zahl der Verurteilten erreicht kaum den zweistelligen Bereich. Der Grund wird zwar nicht ausgesprochen, ist aber allgemein bekannt: Russische Cyberkriminelle dürfen ungehindert so viele Kreditkarten klonen, so viele Bankkonten hacken und so viel Spam verschicken, wie sie wollen, vorausgesetzt, die Ziele der Angriffe liegen in Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Ein russischer Hacker, der Russen betrügen wollte, würde zusammengeschnürt im Kofferraum eines unauffälligen Fahrzeugs liegen, bevor er überhaupt nur » KGB « sagen kann.
Natürlich gilt auch das Umgekehrte: Sollte der russische Staat die Dienste eines Hackers in Anspruch nehmen wollen, um einen verheerenden Cyberangriff auf einen vermeintlichen Feind zu starten, ist es für den Hacker vermutlich am besten, wenn er mitmacht.
Das Jahr 2007 war die Blütezeit einer lockeren, in Sankt Petersburg ansässigen Organisation von Unternehmen, die sich Russian Business Network oder RBN nannte. Die rätselhafte Institution bot an, Websites für Einzelpersonen und Unternehmen zu betreiben, und war als König der »kugelsicheren Hoster« bekannt. Firmen, die einen solchen Service anbieten, lassen ihre Kunden damit unausgesprochen auch wissen, dass sie sich für Inhalt oder Funktion einer Website nicht interessieren, und als Gegenleistung für wesentlich höhere Gebühren leisten sie Widerstand gegen alle juristischen oder digitalen Versuche, die Sites funktionsunfähig zu machen.
Nicht alle kugelsicheren Provider sind dazu da, die Gesetze zu umgehen, aber Verbrecher und Piraten bedienen sich häufig ihrer Dienstleistungen. Nahezu unentbehrlich sind sie beispielsweise für Personen und Gruppen, die Kinderpornografie verbreiten; das RBN hatte nach den Befunden der Forschungsabteilungen mehrerer Sicherheitsunternehmen auch solche Klienten unter seinen Kunden.
Ebenso sind kugelsichere Provider von unschätzbarem Wert für Leute, die Spam-E-Mails verbreiten: Solche Unternehmungen erfordern eine gewaltige, gesicherte Kapazität, damit Milliarden zweifelhafte Werbesendungen und Viren verschickt werden können. Die nigerianischen 419-Betrügereien, gefälschte Arzneimittel, Methoden zur Penisvergrößerung und viele andere dubiose Angebote werden von kugelsicheren Providern über die ganze Welt verbreitet. Viele Spam-Nachrichten dienen als Tarnung für Viren oder enthalten Links zu infizierten Websites, und wenn man sie anklickt, wird der betroffene Computer zum Fußsoldaten in einer Botnet-Armee.
In den Jahren 2006 und 2007, während der Blütezeit des Russian Business Network, führte das geheimnisumwitterte Anti-Spam-Unternehmen Spamhaus aus Cardiff insgesamt 2048 Internetadressen auf, die unter Kontrolle des RBN standen; dieses wurde als »einer der schlimmsten Spammer der Welt« bezeichnet, aber auch als Heimstatt riesiger »Netzwerke für Kinderpornografie, Schadsoftware, Phishing und Cyberkriminalität«.
Die größte Bedeutung des RBN liegt in den Gewinnen, die solche kugelsicheren Providerfirmen abwerfen: Sie können ihren Kunden pro Monat 600 Dollar oder mehr berechnen. Für legale Websites liegen die Kosten bei einem Zehntel dieses Betrages.
Seine zweite Rolle ist jedoch in vielerlei Hinsicht die interessantere: Die Angriffe auf Estland begannen mit Millionen
Weitere Kostenlose Bücher