Cyclop
Riesenspielzeuge.
Tief in dieser Lawine aus Wasser vergraben, fühlte er sich eigenartig entspannt und leicht.
Und es kam ihm plötzlich in den Sinn, wie lächerlich sein Tod doch war – auf einer Straße einer großen Stadt zu ertrinken … Sein Lebenswille war noch ungebrochen, aber er wollte auch keinen sinnlosen Kampf kämpfen und kostbaren Sauerstoff verschwenden. Er ließ sich widerstandslos treiben und versuchte, durch den Gischt hindurchzusehen. Er war sich völlig bewußt, daß sein Gehirn mit einer ganz ungewöhnlichen Klarheit arbeitete. Es sagte ihm, daß ihn die Wucht des Aufpralls, wenn ihn die Woge, in der er sich befand, gegen eine Hauswand schleuderte, zerquetschen würde.
Diese Befürchtung hätte sich in ihm gewiß noch verstärkt, hätte er gesehen, wie das Boot in den Oberstock eines Wohnhauses für sowjetische Techniker geschwemmt wurde, wo es zersprang wie eine Eierschale. Der Vierzylinder-Dieselmotor wurde von der Wasserwoge noch durch ein zerbrochenes Fenster weitergetragen und blieb schließlich in einem Treppenhaus liegen.
Pitt selbst traf es gnädiger. Er wurde in eine kleine Seitenstraße gespült. Die Flutwelle schob alles in einer mächtigen Treibgutwoge vor sich her. Doch schon, als sie noch Hauswände umspülte, die stark genug waren, ihrem Anprall zu widerstehen, begann ihre Kraft zu schwinden. Nach wenigen Sekunden hatte der Hauptkamm der Woge seinen Höhepunkt überschritten, und die Wassermassen begannen zurückzufluten, Trümmer und Leichen in ihrem großen Sog mit hinaus aufs Meer ziehend.
Pitt spürte, daß sich der Sauerstoffmangel auf sein Gehirn auswirkte, er sah Sterne vor seinen Augen tanzen. Er konnte sich selbst zusehen und beobachten, wie ihm, einer nach dem anderen, die Sinne schwanden. Er spürte einen harten Schlag gegen seine Schulter, als er mit einem festen Gegenstand zusammenstieß. Er schlang einen Arm darum und versuchte nicht wieder loszulassen, doch die Gewalt der Welle warf ihn weiter nach vorne. Er trieb gegen eine ebene Fläche, und dieses Mal gelang es ihm, sich irgendwo festzukrallen und nicht wieder loszulassen. Er erkannte nur nicht, daß das, woran er sich festhielt, das Ladenschild über der Tür eines Juweliergeschäfts war.
Denn schon begannen die Denk- und Empfindungsfunktionen seines Körpers langsamer zu werden und zu ersterben, als sei die Stromversorgung seines Mechanismus abgeschaltet worden. In seinem Kopf hämmerte es, und die tanzenden Sterne vor seinen Augen verdüsterten sich zu schwarzer Dunkelheit. Er existierte nur noch mit seinen Instinkten. Bald, vermochte er gerade noch zu denken, würde auch dies aufhören.
Die Flutwelle hatte ihren Zenit überschritten, fiel in sich zusammen und strömte zurück ins Meer. Aber für Pitt war es zu spät. Der Punkt, an dem er aus der Bewußtlosigkeit hätte zurückkommen können, war überschritten. Seinem Gehirn gelang es irgendwie, noch eine letzte Botschaft auszusenden. Ein Arm vermochte noch ein letztes Mal zu reagieren und sich schwerfällig zwischen das Ladenschild und dessen in der Hauswand befestigten Trägerarm zu schlingen. Dort verklemmte er sich.
Er spürte, daß er zu ertrinken begann.Das große Donnern der Explosionen verrollte allmählich in den Bergen und über dem Meer. Es gab kein Sonnenlicht mehr über der Stadt. Der ganze Hafen schien in Flammen zu stehen. Alle Docks, Schiffe, Tanklager und dazu drei Quadratmeilen brennender Ölschicht auf dem Hafenwasser ergaben ein höllisches Feuergemälde aus Orange und Blau unter einem nachtschwarzen niedrigen Firmament.
Die schrecklich verwüstete Stadt begann allmählich den Schock von sich abzuschütteln und sich wieder aufzurappeln. In das über der ganzen Stadt liegende Knistern und Knacken von Feuer mischten sich die ersten Sirenen. Die Flutwelle war in den Golf von Mexiko zurückgeströmt. Sie hatte viele Trümmer und Tote mit sich gerissen.
In den Straßen begannen taumelnd und benommen wie eine verschreckte Schafherde die Überlebenden aufzutauchen.
Der Schock über das Ausmaß der Zerstörung um sie herum betäubte alle. Niemand wußte, was wirklich geschehen war. Verletzte stolperten, sich ihrer Wunden kaum bewußt, ziellos umher. Verständnislos wurde das gewaltige Ruder der
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