Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
der schon zweimal verheiratet war, könne anderen gewiss keine guten Ratschläge geben, was Beziehungen betrifft, und Sie könnten der Meinung sein, alles, was Sie gelernt haben, sei eigentlich nichts wert.
Für den Beruf des Psychotherapeuten gilt das Gleiche wie für den eines Fußballtrainers. Der muss auch nicht der weltbeste Spieler gewesen sein, wenn er die weltbeste Mannschaft trainiert. Er muss nur wissen, wie es geht. Natürlich sollte man als Trainer auch über eine ausreichende körperliche Fitness verfügen.
Genauso gehört es für uns Psychotherapeuten dazu, dass wir auf unsere psychische Fitness achten. Perfekt sind wir dennoch nicht. Schon allein, weil wir nicht glauben, dass es uns glücklich machen würde, perfekt zu sein. Was auch immer das sein mag. Übertriebenen Perfektionismus überlassen wir unseren Patienten. Als Symptom, das es zu heilen gilt. Bevor jedoch die Patienten feststellen, dass wir nicht perfekt sind, und deshalb die ganze, bisher erfolgreiche Therapie anzweifeln, lassen wir das lieber bleiben mit der privaten Trefferei.
Was Sie von uns bekommen können, bekommen Sie in den Sitzungen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger, und davon wiederum mehr, als Sie sonst in der Welt bekommen können.
Und das ist doch auch was.
Wenn es bei anderen brennt
Zum Abschluss dieses Kapitels noch etwas für den Fall, dass es nicht bei Ihnen, sondern bei jemandem brennt, der Ihnen nahesteht. Dass man niemanden zwingen kann, eine Psychotherapie zu machen, wissen Sie. Aber was, wenn es jemandem so schlecht geht, dass Sie sich ernsthaft Sorgen um den Betreffenden machen?
Richtig ernst wird es spätestens dann, wenn eine Ihnen nahestehende Person selbstmordgefährdet ist. Spätestens jetzt sollten Sie Ihrer Sorge Ausdruck verleihen und darauf bestehen, dass Hilfe in Anspruch genommen wird.
Selbst wenn der andere sich in einem Zustand befindet, in dem er vernünftigen Argumenten nicht zugänglich ist, beispielsweise einer schweren Depression: Sie haben ein Recht, sich zu schützen! Immerhin ist ein Selbstmord etwas, das auf Angehörige und Freunde extrem traumatisierend wirkt.
Früher wurde häufig behauptet, jemand, der mit Selbstmord drohe, meine das nie ernst. Mittlerweile hat sich zum Glück herumgesprochen, dass das absoluter Nonsens ist. Wenn jemand also über Selbstmord spricht, müssen Sie darauf bestehen, dass die Person einen Psychotherapeuten oder einen Psychiater aufsucht. Fragen Sie immer wieder nach! Wenn dennoch nichts geschieht und Sie nicht mehr wissen, was Sie tun sollen, können Sie in der nächstgelegenen psychiatrischen Klinik anrufen und sich beraten lassen.
Und wenn die Sache noch akuter ist, wenn jemand beispielsweise das Haus verlässt und ankündigt, er werde sich jetzt umbringen, können Sie die Polizei rufen. Die Person wird dann – auch gegen ihren Willen – in die Psychiatrie eingeliefert werden. Sie müssen nicht entscheiden, wie ernst der Betreffende es gemeint hat mit seinen Selbstmordgedanken. Lassen Sie das die Fachleute entscheiden. Außerdem spielt es im Grunde genommen keine Rolle. Jemand, der an Selbstmord denkt, braucht auf alle Fälle Hilfe.
Möglicherweise klingt das für Sie hart. Aber es geht um Leben und Tod. Wenn der Betreffende die Verantwortung für sich nicht mehr tragen kann, müssen Sie etwas tun. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Ihnen übelnimmt, dass Sie sich um ihn gesorgt haben, ist äußerst gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sehr lange, wenn nicht gar ein Leben lang daran zu knabbern haben, wenn er sich umbringt, ist dagegen sehr hoch.
Jetzt atmen Sie erst einmal tief durch. Das war ein schwieriges Kapitel. Vielleicht brauchen Sie eine kleine Pause. Denn mit dem nächsten Thema kommen wir zu etwas völlig anderem. Nun wissen Sie schon eine ganze Menge über Psychotherapie. Darüber, was ein Psychotherapeut ist, wie es bei ihm aussieht, was er tut, und was Sie tun müssen, wenn Sie beschließen, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben.
Vielleicht ist es mir auch gelungen, Sie ein wenig neugierig zu machen auf das, was sich in Ihrem eigenen Kellergeschoss abspielt. Und vielleicht haben Sie Lust, eine Methode zu erlernen, wie Sie dort einen Blick hineinwerfen können, auch wenn bei Ihnen gerade keine Psychotherapie ansteht. Dann folgen Sie mir zur Rolltreppe. Wir fahren hinab ins Kellergeschoss.
Kapitel 6
Mit der Rolltreppe ins Kellergeschoss
Willkommen auf dem Königsweg
Um in Kontakt mit den weniger zugänglichen
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