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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Gelb leuchtete das Fell eines gigantischen Schakals. Wie Messer funkelten die grausamen Krallen. Ein Vogelkopf saß auf dem kurzen Hals, drohend öffnete sich der mörderische Hackschnabel, und zwischen leuchtendem rotem und schwarzem Gefieder wirkten die Augen wie zwei gelbe, von innen her leuchtende Glaskugeln.
    Der Indio zitterte.
    Sekundenlang starrte er die Erscheinung an. Und dann, als der schreckliche Gott seine Stimme erhob, warf sich Jacahiro nieder und preßte bebend das Gesicht in den Staub der Höhle.
    Rauhe Vogelschreie waren es, die die Luft beben ließen. Der Indio jedoch verstand Worte in der Sprache der Azteken, und jeder andere Zuhörer hätte die dunkle Prophezeiung in der Sprache gehört, die er beherrschte.
    »Tukákame ist bereit, in die Welt zurückzukehren«, donnerte das unheimliche Zwitterwesen. »Zur Zeit der großen Wanderung wird sich der Fluch erfüllen. So höre, mein Sklave! Ein weißer Mann wird kommen und die Heere der Azteken vom Tode erwecken. Ungestraft wird er durch die Höhle der Schlangen schreiten und das goldene Tor öffnen, hinter dem der oberste meiner Diener seit Jahrtausenden nach Befreiung dürstet. Drei schöne Mädchen werden auf dem Opferstein sterben, und ihr Blut wird mir die Kraft geben, die Herrschaft über diese Welt anzutreten. Du aber bist bestimmt, dem großen weißen Befreier zu begegnen und ihn in mein Reich zu führen. Gehe hin, mein Sklave! Denn die Zeit Tukákames ist nah…«
    Grell zuckten die Flammen hoch.
    Das aufflackernde Feuer schien die Erscheinung förmlich zu verschlingen. Binnen Sekunden wurde der schwarze Rauch heller, durchsichtig, und die Flammen fielen in sich zusammen, als fänden sie plötzlich keine Nahrung mehr.
    Jacahiro, der alte Indio, hob langsam den Kopf.
    Seine Augen leuchteten. Einen scheuen Blick warf er noch zu dem Felsenbogen hinüber, hinter dem die Höhle der Schlangen begann – jene verbotene Grotte, die keines Menschen Fuß betreten durfte und die niemanden wieder losgelassen hatte, der sich je in ihre unergründliche Tiefe wagte. Die Wächter Tukákames lauerten dort. Und irgendwo in der Finsternis, tief unter der Erde, begann das Reich des Schreckens.
    Rasch wandte sich der Indio um, verließ die Grotte und wandte sich dorthin, wo ein heller Schimmer Licht und Wärme der Sonne Mexicos versprach…
    ***
    Feuer flackerten, glommen wie rote Augen in der Nacht. Weiß leuchtete der Kalkstein, aus dem die Erosion im Laufe der Jahrhunderte monströse Altäre, Tempel und Pyramiden hatte entstehen lassen. Ein paar Trommeln begannen zu dröhnen, dumpf pflanzte sich das Geräusch zwischen den Bergflanken fort. Schweigend saßen die fünfzehn Männer um die Feuer, aßen, tranken, warteten auf die heilige Offenbarung, und über allem spannte sich ein tiefschwarzer Nachthimmel, auf dem in unendlicher Ferne die Sterne wie Brillanten funkelten.
    Bill Fleming hatte das Gefühl, in eine andere Welt versetzt worden zu sein, in eine andere Zeit.
    Er kauerte etwas abseits von der Gruppe der Indios, sah fasziniert den rätselhaften Zeremonien zu. Immer noch begriff er nicht ganz, welchem Umstand er es verdankte, daß er als Weißer an der geheimnisumwitterten Pilgerfahrt der mexicanischen Huichol hatte teilnehmen dürfen. Das Interesse an der Kultur dieses alten utoaztekischen Volksstamms hatte den jungen Historiker zu der Reise nach Mexico bewogen. Er war darauf gefaßt gewesen, ziemlich lange zu brauchen, um das Vertrauen der Indios zu gewinnen, und er hatte damit gerechnet, allenfalls authentische Berichte zu hören zu bekommen. Daß die Huichol aus dem kleinen Felsennest in der Nähe des Rio Bolanos sofort bereit gewesen waren, ihn als Beobachter bei ihrer Pilgerfahrt zum göttlichen Peyote zu dulden, war ein kleines Wunder; ein Glücksfall – und für den Wissenschaftler eine einmalige Chance.
    Bill fuhr zusammen.
    Ein langgezogener Schrei hatte ihn aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Am Feuer war einer der Indios aufgesprungen, stand mit ausgebreiteten Armen und zurückgeworfenem Kopf da und stieß ein langgezogenes, klagendes Heulen aus. Andere Stimmen fielen ein, leiser, dumpfer, vereinigten sich zu einem seltsamen Singsang.
    Schneller und härter wurden die Trommelwirbel, und zwei, drei Gestalten begannen, ihre Oberkörper in zuckenden, schlangenartigen Bewegungen zu wiegen.
    Der Peyote-Rausch setzte ein.
    Die lange Reise in die geheiligten Bezirke des Wahnsinns…
    Bill Fleming überschlug in Gedanken, was er über diesen

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