Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
gegen einen Blumenstrauß zum Abschied einzuwenden haben. Beim Blumentopf wird es schon wieder kompliziert. Falls der Therapeut bereits Zimmerpflanzen auf der Fensterbank stehen hat, ist das in Ordnung. Allerdings sollte es etwas Pflegeleichtes sein, damit es auch seinen Urlaub übersteht. Kein Therapeut hat Lust, im Urlaub jeden Tag in die Praxis zu kommen, um eine Pflanze zu betreuen, die ansonsten mit Selbstmord droht.
Schwierig wird es bei allem, was über einen Blumentopf hinausgeht. Wenn man dem Therapeuten etwas mitbringt, das er in seine Praxis stellen kann, sollte man sicher sein, seinen Geschmack zu kennen.
Der Therapeut wird nicht schlecht von den Patienten denken, die ihm keine Blumen mitbringen. Seine Sympathie haben sie schon. Seine Liebe zu erkaufen wird ihnen nicht gelingen. Die gehört seinem Partner oder seiner Partnerin, nicht den Patienten.
Diese Geschenkegeschichte ist etwas, mit dem jeder Therapeut feinfühlig umgehen muss und mit dem jeder unterschiedlich umgehen wird. Eine Grenze wird er spätestens dort setzen, wo es ins Private geht. Wenn der Patient ihm beispielsweise etwas mitbringt, das nicht für die Praxis, sondern für sein Zuhause bestimmt ist. So groß der Wunsch des Patienten sein mag, wichtig für den Therapeuten zu sein, so wichtig ist es für den Therapeuten, Berufliches und Privates voneinander zu trennen. Deshalb wird er solche Geschenke ablehnen, ebenso wie unangemessen teure Geschenke oder zu Persönliches.
Wie gesagt, mit einem Blumenstrauß macht der Patient nichts verkehrt, falls es ihm darum geht, seine Dankbarkeit zu zeigen. Sollte es ihm hingegen darum gehen, dass der Therapeut auch weiterhin an ihn denken soll, ist das wahrscheinlich keine so gute Idee. Wenn er jemanden haben will, der immer an ihn denkt, so muss er in seinem Privatleben dafür sorgen.
All das gilt nur für Patienten, die den Wunsch haben, ihrem Therapeuten ein Abschiedsgeschenk zu machen. Die meisten verspüren diesen Wunsch gar nicht, auch wenn sie sich wohlgefühlt haben und zufrieden mit dem Ergebnis der Behandlung sind. Der Therapeut wird sich eher irritiert fühlen, wenn er häufig Geschenke oder ein unangemessen großes Geschenk bekommt, als dadurch, dass man sich lediglich mit einem Händedruck verabschiedet.
Nun hat man sich also über Monate, vielleicht sogar Jahre, regelmäßig getroffen. Und nun soll das mit einem Mal zu Ende sein? Auch ich habe schon mit Patienten gearbeitet, mit denen, hätte man sich privat kennengelernt, durchaus eine Freundschaft hätte entstehen können. Weil diese Patienten den gleichen Geschmack, die gleiche Lebenseinstellung, die gleichen Interessen und den gleichen Humor wie ich hatten. Für die Arbeit macht es allerdings keinen Unterschied, wie ähnlich Patient und Therapeut sich sind. Nicht einmal für den Therapieerfolg.
Jeder Therapeut wird irgendwann einmal von einem Patienten am Ende der Therapie gefragt, ob man nicht zumindest einmal eine Tasse Kaffee miteinander trinken könnte. Wenn man als Therapeut noch jung und unerfahren ist und es einem schwerfällt, Nein zu sagen, ist man vielleicht geneigt, darauf einzugehen, um den Patienten nicht zu kränken.
Wenn man sich einmal trifft – warum nicht auch zweimal, oder öfter? Dahinter steckt wohl auch die Neugier des Patienten, zu sehen, wie der Therapeut denn »privat so ist«. Ein Treffen wird dazu sowieso nicht ausreichen, denn beim ersten Mal wird der Therapeut noch völlig in seiner Therapeutenrolle sein. Und er wird feststellen, dass das Ganze keine gute Idee war. Es kommt als Privatveranstaltung daher, ist aber eigentlich Arbeit. Und dann wird vielleicht tatsächlich eine private Beziehung aus der Sache. Zu jeder privaten Beziehung gehören auch Enttäuschungen. Die gehören auch zu einer Psychotherapie, aber dort können Sie bearbeitet und nutzbar gemacht werden.
Vielleicht finden Sie es auch gar nicht schlimm, dass der Therapeut nun nicht mehr nur auf Sie eingeht, sondern dass er auch etwas von sich erzählt.
Aber warum ist das wichtig? Haben Sie bei Ihrem Arzt den Wunsch, ihn auch einmal nackt zu sehen, nachdem er Sie schon mehrfach aufgefordert hat, sich frei zu machen? Gut, vielleicht ist Ihr Arzt besonders knackig und Sie können eine hübsche sexuelle Fantasie und die Realität auseinanderhalten. Aber normalerweise taucht dieser Gedanke nicht auf.
Woher also kommt der Wunsch, beim Psychotherapeuten hinter die Kulissen zu schauen? Schlimmstenfalls werden Sie das Gefühl haben, jemand,
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