Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
einigen Jahrzehnten war es noch so, dass manche Ärzte eine psychische Erkrankung nicht erkannt hätten, wenn sie vor ihnen gestanden und laut »Buh!« gerufen hätte. Mittlerweile sind solche Ärzte zum Glück selten geworden, und mit den meisten arbeiten wir wunderbar zusammen. Nur noch sehr vereinzelt findet man den Psychotherapeutenhasser vom guten alten Schlag.
Mein persönliches Highlight war der Hausarzt einer Patientin. Auf ihren Wunsch, er möge bitte den Konsiliarbericht ausfüllen, da sie eine Psychotherapie machen wolle, meinte er, davon halte er gar nichts. Die meisten Psychotherapeuten seien Hausfrauen oder ehemalige Friseurinnen, die in einem Hinterzimmer ihrer Wohnung sogenannte Psychotherapien anböten.
Da ich mit vielen Hausärzten sehr gut und fruchtbar zusammenarbeite und mitunter auch selbst einmal krank werde und auf sie angewiesen bin, habe ich es mir verkniffen, fortan zu behaupten, Hausärzte trügen häufig karierte Rüschenschürzen und träfen sich mit ihren Patienten in Baumhäusern.
Da es manchmal schwer ist, abzugrenzen, welche Symptome psychische und welche körperliche Ursachen haben, kann auch einmal jemand durchrutschen, der eigentlich eine körperliche Erkrankung hat, die von den Ärzten aber nicht als solche erkannt wurde. Ich habe eine Kollegin, die eine wahre Meisterin im Aufspüren solcher Dinge ist. Sie hat schon mehrere Patienten noch einmal zum Arzt geschickt mit dem Auftrag, es solle doch einmal auf dieses oder jenes untersucht werden, zum Beispiel auf Borreliose oder Zöliakie. Und? Bingo! Nix mit psychischer Erkrankung, auch wenn der Hausarzt das geglaubt hatte.
Die umgekehrte Situation ist jedoch um ein Vielfaches wahrscheinlicher. Wie bereits erwähnt gibt es viel mehr Menschen, die immer noch in Ärztewartezimmern sitzen, obwohl sie zum Psychotherapeuten gehören als umgekehrt.
Nach Ablauf der zunächst von der Krankenkasse genehmigten Sitzungen muss Ihr Therapeut einen Bericht an die Kasse schicken, zumindest, wenn Sie beide es für sinnvoll halten, weiter miteinander zu arbeiten und solange die Höchststundenzahl noch nicht erreicht ist.
Niemand von Ihrer Krankenkasse bekommt diesen Bericht zu sehen. Nicht einmal der Gutachter – der selbst Psychotherapeut irgendwo in Deutschland ist – erfährt, um wen es dabei geht. Er bekommt den Bericht in einem Umschlag, auf dem lediglich eine Chiffrenummer steht, behält ihn und teilt der Kasse daraufhin mit, ob die Weiterbehandlung genehmigt werden soll oder nicht. Der Bericht gelangt also nie in die Akten Ihrer Krankenkasse, sondern verstaubt – lediglich mit einer Nummer versehen – irgendwo im Aktenordner eines wildfremden Psychotherapeuten, der nie Ihren Namen erfährt. Und den Sie auch nie zu Gesicht bekommen.
Noch mal in der Kurzform: Die Kasse kennt Ihren Namen, aber nicht den Inhalt des Berichts. Der Gutachter kennt den Bericht, aber nicht Ihren Namen.
Geschenke und Privates
Mitunter, sei es zum Therapieende, sei es auch nur an Weihnachten – haben manche Patienten das Bedürfnis, dem Therapeuten etwas zu schenken. Ich widme mich diesem Thema etwas ausführlicher, weil es Anlass zu erheblichen Missverständnissen in der Therapie geben kann. Und das so kurz vor Toresschluss – das wollen wir doch vermeiden.
Ich habe einmal einige Zeit in einer Beratungsstelle gearbeitet. Zwischen den Sitzungen trafen die Therapeuten sich im Büro. Oft kamen junge Kollegen herein und riefen: »Schaut mal, was meine Patientin mir mitgebracht hat!« Voller Stolz zeigten sie gigantische Schachteln mit den köstlichsten Schokoladenkreationen. Und sie waren begreiflicherweise enttäuscht, wenn die erfahreneren Kollegen kaum von ihrer Tasse aufblickten und nur murmelten: »Schlechte Prognose. Ganz schlechte Prognose.«
Es gibt Patienten, die den Therapeuten mit Geschenken regelrecht überhäufen wollen. Meist sind das Menschen mit einem großen Liebesdefizit in ihrer Lebensgeschichte, die dem Irrtum erliegen, sie müssten ganz, ganz viel leisten, damit man sie mag. Leider auch oft dem Irrtum, man müsse sie doch einfach mögen, wenn sie so schöne Geschenke bringen. Und, damit es keine Missverständnisse gibt: Das mit der schlechten Prognose bezog sich auf die Behandlung, nicht auf den Patienten. Der Patient kann nichts verkehrt machen. Es wäre nur die Aufgabe des Therapeuten gewesen, mit ihm darüber zu sprechen, warum er glaubt, in Beziehungen stets in Vorleistung treten zu müssen.
Die wenigsten Therapeuten werden etwas
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