Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)
Interview-Seminar spendieren, damit er/sie ein bisschen Feinschliff bekommt? Und könnten wir bei der nächsten Volontärsausbildung auch ein, zwei Leute ohne abgeschlossenes Studium berücksichtigen, wenn wir merken, dass sie Begabung und Interesse mitbringen?«
Nachdem ich so sehr sanft versucht hätte, Einfluss aufs Programm zu nehmen, würde ich seine Intendantenjacke auch sofort wieder ausziehen. Öffentlich würde ich das natürlich niemals erzählen, aber ein bisschen träumen wird man ja wohl noch dürfen.
Haben es junge Frauen heute schwerer als damals?
Ja klar, weil viel zu viele junge Frauen als Beruf »irgendwas mit Medien« machen wollen. Was, ist schon beinahe egal. Hauptsache, vor der Kamera. Als Berufswunsch wird dann Moderatorin genannt. Ist aber kein Beruf. Moderation ist eine Unterabteilung des Journalismus.
Gute Journalisten sind nicht zwangsläufig auch gute Moderatoren. Aber gute Moderatoren, und darauf würde ich fast wetten, haben ihr Handwerk zuerst mal als Journalisten gelernt. Und gut meint nicht: gut aussehen, gefällig plappern, gut rüberkommen.
An dieser Stelle merke ich, wie dünn das Eis wird, auf dem ich mich gerade bewege.
Dünn fühlt es sich deshalb an, weil eine alte, erfahrene Journalistin wie ich sehr überheblich über die Jungen, die Unbekümmerten spricht. Jene, die die dreißig noch nicht passiert haben und Chancen bekommen müssen, sich erst mal zu orientieren. Qualität anzumahnen, strenge Maßstäbe anzulegen, wie ich es gerade tue, kommt mir nicht fair vor. Hätte es in den ersten Fernsehjahren einer bei mir getan, wo wäre ich heute? Als ich mit 22 Jahren bei der »Drehscheibe« das Wetter ansagte, hatte ich ein paar Monate lang Auftrittsverbot. Der Intendant persönlich, so hieß es, habe angerufen und wörtlich gesagt: »Nehmt das Kind vom Sender. Es moderiert wie ein Kalb, wenn’s donnert.«
Ich weiß nicht, ob es tatsächlich so gewesen ist, aber wenn man meine Drehscheibenauftritte von damals sieht, kann man schon den Eindruck bekommen, dass ich große Furcht vor der Kamera hatte, durchaus vergleichbar mit einem Kalb auf der Wiese, wenn der erste Blitz in die Gänseblümchen fährt. Jung war ich und bar jeder Erfahrung, aber ich hatte eine fundierte und gute Ausbildung an einer erstklassigen Journalistenschule bekommen. Bei der Aufnahmeprüfung war es damals nicht entscheidend, ob man ein Studium vorweisen konnte. Konnte ich nicht, ich hatte gerade erst Abitur gemacht. Aber ich war bei der Aufnahmeprüfung in der Lage, innerhalb von fünf Stunden eine gute Reportage abzuliefern, einen Kommentar zu einem politischen Ereignis zu schreiben und zu erklären, was der Unterschied zwischen einem Konklave und einer Enklave ist. Ja, okay, Glück beim Schummeln hatte ich auch. »Shintoismus« flüsterte mir ein Mitprüfling beim Rausgehen zu, sonst hätte ich beim Bildertest niemals gewusst, welcher Religion die asiatisch aussehenden Mönche auf dem Foto angehörten.
Jetzt gerade kann dieser Du-bist-nicht-gut-genug-Heinz es gern mit seinen üblichen Störmanövern versuchen. Keine Chance.
Auf meine Ausbildung bin ich wirklich stolz. Auch darauf, dass ich heute bei meiner Arbeit an jedes Gespräch, jeden Moderationstext, jede Buchempfehlung noch immer sehr sorgfältig herangehe. Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarte ich von den jungen Frauen.
Wer heute was mit Medien machen will, sollte wissen, was. Und sobald das klar ist, sich gescheit ausbilden lassen. Wenn sich irgendwann auch noch herausstellt, dass sie eine gute Moderatorin ist, großartig.
Jetzt könnte ich mir den Vorwurf einhandeln, so etwas würde eine Fünfundsechzigjährige aus bloßem Neid auf die Jungen und Schönen im Fernsehen sagen. Tut sie nicht, aber wenn das die einzige Erwiderung auf meine Forderung nach einer gescheiten Ausbildung und einem Berufsethos ist, dann bitte schön.
Möchtest Du, wenn Du auf junge Frauen siehst, noch mal jung sein?
Auflaufen lassen, denke ich blitzschnell, jetzt einfach mit NEIN auf diese Frage antworten.
Dann aber kommt ein absehbares WARUM NICHT ? hinterher, klar.
Darf ich die Frage ein wenig abwandeln? Wie gern möchtest Du noch mal jung sein, wenn Du heute auf junge Frauen siehst?
Da müsste ich länger überlegen, bei meiner Antwort wahrhaftiger sein. Ich würde gern mit dem, was ich heute vom Leben weiß, nochmal zwanzig sein. Nicht weil ich dann jung und schön und zudem sorgloser wäre, als ich es damals war. Oder nicht nur. Sondern weil
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