Da haben wir den Glueckssalat
deinem Job total versagt… Lass mich dir eine Geschichte erzählen…«
Ich lasse den Kopf auf die Knie sinken. Meine Eltern besitzen die für das Selbstvertrauen tödliche Kombination aus hohen Maßstäben und niedrigen Erwartungen. Außerdem haben sie die Fähigkeit, alles so zu verdrehen, dass ich schlecht aussehe. Sie haben gesagt, sie würden mir den Urlaub als Belohnung für gute Examensnoten spendieren und dass ich nie auf eigene Faust einen Job finden würde. Sie boten mir außerdem einen monatlichen Unterhalt an, also habe ich natürlich Ja gesagt! Wer hätte das nicht?
» …und so habe ich deinen Vater kennengelernt, und dann haben wir geheiratet und dich bekommen, und danach lebten wir– wie sagt man?– glücklich bis in alle Ewigkeit…«
Ja, klar. Meine Eltern reden kaum miteinander. Sie lenken sich ab mit Arbeit (mein Vater) beziehungsweise mit einem regen Gesellschaftsleben (meine Mutter). Meine Eltern haben sich in New York kennengelernt, wo ich geboren bin, später zogen sie nach Singapur, London, Tokio, Zürich… Ich besuchte diverse internationale Schulen, bis ich zwölf war, und danach schickten sie mich in ein Internat.
» Das Leben beginnt mit einem Job, Pia. Du denkst wohl, dass wir ewig für deine Fehler geradestehen, dass das Leben eine einzige Party ist. Uns ist ja klar, dass du nie die große Karriere machen wirst, aber ein fester Job…«
» …ist ein Grund, morgens aufzustehen!«
» Du musst lernen, was das Geld wert ist. Verstehst du mich?«
Ich nicke törichterweise und starre auf die Wand neben mir, auf die altmodische Rosentapete. Die untere Kante löst sich bereits ab und rollt sich auf. Es hat etwas Tröstendes.
» Pia!«, schreit meine Mutter. » Warum hörst du nicht zu? Müssen wir wieder mit Bild telefonieren?«
» Nein, nein, das geht nicht. Mein Skype funktioniert nicht«, sage ich rasch. Ich bin nicht in der Lage, mit meinen Eltern zu skypen. Das ist so verdammt intensiv.
» Wir werden ab sofort deinen monatlichen Unterhalt einstellen. Keine Miete mehr, keine Kreditkarte für den Notfall. Du bist jetzt auf dich allein gestellt.«
» Was? A…aber es kann eine Weile dauern, bis ich einen neuen Job finde«, stammle ich erschrocken.
» Die Mom-und-Dad-Bank ist jedenfalls ab sofort geschlossen. Du kommst zu uns nach Zürich und suchst dir hier einen Job. So lautet der Deal.«
» Niemals!« Ich weiß, ich klinge hysterisch, aber ich kann es nicht verhindern. » Meine Freundinnen sind hier! Mein Leben ist hier!«
» Wir möchten, dass du in Sicherheit bist«, sagt meine Mutter in einem etwas sanfteren Ton. Plötzlich schießen mir Tränen in die Augen. » Wir machen uns Sorgen. Und es hat den Anschein, dass du nur bei uns sicher bist.«
» Ich bin hier sicher.«
» Und wir möchten, dass du glücklich bist«, fügt sie hinzu.
» Ich bin hier glücklich!« Meine Stimme bricht.
Mein Vater schaltet sich wieder ein. » So lautet wie gesagt der Deal. Wir fliegen in zwei Monaten nach Palm Beach. Wenn du bis dahin keine bezahlte Arbeit gefunden hast, nehmen wir dich auf dem Rückweg mit nach Zürich. Das ist das Beste für dich.«
Meine Tränen sind nicht mehr zu halten. Ich weiß, dass ich vor ein paar Jahren Fehler gemacht habe, aber ich habe bei Gott versucht, sie wieder auszubügeln. Ich habe fleißig gelernt, ich habe einen Platz an einer Elite-Uni bekommen… aber es ist nie gut genug.
Wie kommt es, dass niemand auf der Welt es schafft, mich dermaßen runterzuziehen wie meine Eltern?
» Okay, die Botschaft ist angekommen«, sage ich. » Ich muss jetzt Schluss machen.«
Ich lege auf und starre auf die sich kringelnde Rosentapete. Dann befeuchte ich den Zeigefinger und versuche, sie wieder anzudrücken. Aber sie springt sofort wieder hoch.
Mit einer einzigen Party habe ich mein Leben in New York City zerstört. Bevor es überhaupt begonnen hat.
2
Als Julia gleich darauf die Treppe hochstapft, rot vor Wut, krampft sich mein Magen zusammen. Ich hasse Streit. Und Jules ist ziemlich gut im Streiten. Sie hätte Anwältin werden sollen.
» Vics Küchendecke ist ruiniert«, fährt sie mich an. » Ruiniert. Seiner Schwester ist heute Morgen ein Stück Putz auf den Kopf gefallen. Verdammt, Pia, die Frau ist über achtzig!«
» Ist sie okay? O mein Gott…«
» Es geht ihr gut«, fällt Julia mir ins Wort. » Offenbar war es nur ein kleines Stück. Aber Vic ist stinksauer.«
» Ich werde für den Schaden aufkommen«, sage ich. » Ich habe ungefähr noch
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