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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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seltsame Arbeitsweise des chinesischen Arztes, sondern auch über den Toten. Warum zeigte der Körper keine einzige Schramme? Gerade so, als ob gar nichts geschehen wäre.
    Er ließ seinen Blick langsam über die Haut des Toten wandern, die bleich und feinporig war, an manchen Stellen nahezu durchsichtig. Sie erinnerte ihn an altes Pergament.
    Serkans Beine waren dünn wie Zahnstocher, die Muskeln kaum ausgebildet. Dasselbe galt für seine Arme.
    Der junge Mann hatte an den Fußsohlen fast keine Hornhaut, was darauf hindeutete, dass er nur die nötigsten Wege zu Fuß zurückgelegt hatte.
    Es fiel Rubin nicht leicht, die Leiche Serkans zu berühren.
    »Ich frage mich, warum die Fingernägel so lang sind.«
    Bernstein lachte amüsiert auf. »Gute Güte, Rubin, jetzt rächt es sich, dass du alter Banause damals unseren Gitarrenunterricht aufgegeben hast. Sieh dir mal seine Linke an.«
    Die linke Hand war ebenso gepflegt und feingliedrig wie die Rechte, nur die Fingernägel waren deutlich kürzer.
    »Ah, natürlich! An der rechten Hand müssen die Nägel lang sein, um die Gitarrensaiten zu zupfen. An der linken Greifhand kurz, damit die Akkorde nicht scheppern«, sagte Rubin.
    »So wie bei deiner Katzenmusik damals!«, rief Bernstein.
    Rubin erinnerte sich sehr gut an die Zeit vor dreißig Jahren, als er Gitarrenunterricht genommen hatte. Er hatte damals in einer Band spielen wollen, aber es war nie dazu gekommen. Schließlich hatte er schweren Herzens einsehen müssen, dass sein Wunsch größer als sein Talent gewesen war. Bernstein hingegen hatte eine eigene Band gegründet. Nicht dass er mehr Talent gehabt hätte als Rubin. Er war einfach kompromissloser gewesen und hatte eine Musikrichtung entdeckt, für die keine außergewöhnliche Begabung, sondern nur Leidenschaft und Hingabe erforderlich waren: Punk. Rau und ungezügelt, in einer ohrenbetäubenden Lautstärke gespielt, so wild und hart, als gäbe es kein Morgen.
    »Sind Sie fertig?«, fragte Rubin nach einer Weile.
    »Gewiss, das bin ich, und ich fasse zusammen: Ich habe keine Brüche und keine Prellungen entdeckt. Es befindet sich kein Wasser in den Lungen.«
    »Das bedeutet: Er ist nicht ertrunken. Was ist die genaue Todesursache?«, fragte Rubin.
    »Plötzlicher Herztod«, sagte Peng Ching lächelnd.
    Rubin dachte: Das bringt uns kein bisschen weiter, das kann alles oder nichts heißen. Ihm war noch nicht klar, was er mit dieser Information anfangen sollte. Gleichzeitig fiel ihm ein, dass er jetzt unbedingt die Spurensicherung informieren musste.
    »Entschuldigen Sie mich bitte.«
    Rubin trat zur Seite und griff zum Handy, wählte die Nummer der Staatsanwaltschaft, die sich in der Stadt, über dreißig Kilometer entfernt, befand. Bad Löwenau selbst verfügte nämlich über keine Staatsanwaltschaft, über kein Gericht und keine Gerichtsmedizin.
    »Hauptkommissar Christoph Rubin, Polizeiinspektion Bad Löwenau. Wir haben einen Toten. Die Leiche müsste abgeholt werden. Ich gebe Ihnen gleich die Adresse durch. – Wie bitte? Dazu kann ich noch nicht viel sagen. In Kürze mehr. Auf Wiederhören.«
    Wieder zu Peng Ching gewandt, fragte Rubin: »Können Sie den ungefähren Todeszeitpunkt eingrenzen?«
    »Ja, das ist möglich. Nach meiner Hautanalyse muss der Herzstillstand gestern Abend gegen dreiundzwanzig Uhr eingetreten sein.«
    »Genau wie ich am Brunnen gesagt habe!«, warf Bernstein triumphierend ein. »Elf Uhr! Du wolltest mir ja nicht glauben, Rubin!«
    Rubin wusste nicht, was er sagen sollte. Diese Runde ging eindeutig an Bernstein.
    Auf dem Boden lagen die Kleider Serkans. Rubin nahm sie näher in Augenschein, besonders die Hose, eine Jeans mit phantasievoll gestalteten Hintertaschen. Er griff in die Taschen und wunderte sich: Sie waren allesamt leer, wie ausgeräumt. Keine Geldbörse, kein Schlüssel, kein Handy, nichts.
    In den Jackentaschen war außer benutzten Papiertaschentüchern und einem Streifen Kaugummi ebenfalls nichts zu finden.
    Rubin machte sich an die Schuhe. Er betrachtete sie lange, von oben, von unten und von der Seite. Es waren moderne Turnschuhe eines großen amerikanischen Herstellers, bunt gemustert und relativ neu.
    »Keine Spur«, sagte er.
    »Keine Spur wovon?«
    »Keine Schleifspuren«, sagte Rubin.
    »Also ist die Sache klar: Serkan ist am Brunnen ermordet worden«, sagte Bernstein.
    Rubin strich mit dem rechten Handrücken über die Bartstoppeln an seinem Kinn.
    »Herr Ching, wodurch könnte so ein plötzlicher Tod ausgelöst

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