Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich muss blind gewesen sein!“
Carlo gähnte. „Vielleicht kommst du jetzt mal zur Sache, sonst schlafe ich gleich wieder ein und verpasse deine Auflösung des Falles!“
Leonardo atmete tief durch. „Also hört zu! Dieser Pater Rigoberto durfte das Beichtgeheimnis nicht brechen – und zwar unter keinen Umständen. Bartolo hat sich ihm anvertraut und wahrscheinlich alles haarklein gebeichtet. Der war so erschrocken, als ich mich sah und dann nicht finden konnte, dass er wohl schon glaubte, für ihn wäre der Tag des jüngsten Gerichtes oder so etwas gekommen! Und Pater Rigoberto hat es natürlich stark belastet, dass er durch sein Schweigen gezwungen war, diesem Verbrecher zu helfen.“
„Das war alles!“, stellte Luca fest. „Aber die Frage ist doch, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen können, wenn Pater Rigoberto sich einfach weigert zu reden!“
Leonardo lächelte. „Er hat die ganze Zeit über geredet. Nur nicht mit Worten, dass durfte er nicht.“
„Und wie dann?“, fragte Luca.
„Mit seinem Bild! Ich hätte viel früher darauf kommen müssen! Michele D’Andrea ist der Anführer der Gruppe. Er hat den Auftrag gegeben! Darum hat Pater Rigoberto ihn als Hauptmann der Römer dargestellt.“
„Aber ist ein Freund unserer Familie!“, meinte Luca.
„Offenbar doch nicht! Zusammen mit Enrico Scirea und wahrscheinlich noch einigen anderen Kaufleuten hat er versucht, deinen Vater zu ruinieren, Luca! Natürlich war er immer bestens über alles informiert, was dein Vater zu unternehmen versucht hat! Er saß bei ihm am Tisch und war in alles eingeweiht… Der Mann, der seine Hände vor das Gesicht nahm – das war einer der Einbrecher, dem ich Asche ins Gesicht geschüttet habe! Bartolo muss dem Pater auch das haarklein geschildert haben.“
„Das heißt, dieser Bartolo war auch einer der Einbrecher!“, schloss Luca. „Sonst hätte er nicht wissen können, dass du einem der Männer Asche ins gestreut hast.“
Leonardo nickte. „Ja, das ist wahr.“
„Aber das ist doch alles kein Beweis!“, meinte Carlo.
„Doch. Die Delle in der Wand ist Bartolos Narbe! Ich bin überzeugt davon, dass Pater Rigoberto dort morgen Bartolos Kopf hinmalt!“
Am nächsten Morgen berichtete Leonardo seinem Vater von dem, was er erkannt zu haben glaubte. „Komm mit mir in diese Kirche und sieh es dir an! Dann wirst du feststellen, dass ich Recht habe“, sagte Leonardo. „Pater Rigoberto hat geschwiegen – und stattdessen seine Aussage aufgemalt!“
Ser Piero war sehr nachdenklich.
Leonardo hatte ihm nun ja auch beichten müssen, dass er über den Abwasserkanal mehrmals in die Stadt gegangen war und sich damit erheblich in Gefahr gebracht hatte. „Dieser Bartolo hätte kurzen Prozess mit dir gemacht, ist dir das eigentlich klar?“, schimpfte er. Aber als sich Ser Piero dann beruhigt hatte, versprach er, mit Emanuele di Gioia zu reden, der sich wiederum an seinen guten Bekannten, den Kommandanten der Stadtwache wenden sollte. Am folgenden Mittwoch betrat Bartolo die Kirche von Pater Rigoberto. Das Gemälde war inzwischen fertig. Alle Römer und Apostel hatten Gesichter.
Bartolo ging zwischen den Bankreihen her und starrte auf das Bild. Er sah den Mann mit der Narbe und erkannte sich selbst.
„Pater Rigoberto!“, rief er.
„Wir haben Euch erwartet“, sagte die Stimme des Paters von der Empore aus. Zusammen mit Leonardo stand er da und blickte hinab. Ser Piero und Emanuele di Gioia standen ganz in der Nähe. Carlo und Luca hatten natürlich auch darauf bestanden dabei zu sein.
„Ihr habt mich verraten, Pater!“, rief Bartolo.
„Nein, ich habe geschwiegen“, erwiderte Pater Rigoberto. „Genau so, wie es mir vorgeschrieben war. Aber für die Gedanken, die sich andere bei der Betrachtung eines Bildes machen, kann ich nichts.“
In diesem Moment öffnete sich die Tür zur Sakristei. Francesco Manzoni, der Kommandant der Stadtwache trat ein. Bartolos Hand umfasste den Schwergriff.
„Nicht im Haus Gottes!“, rief Pater Rigoberto.
Und der Kommandant ergänzte: „Ich bin überzeugt davon, dass man Milde walten lässt, wenn du aussagst und deinen Auftraggeber nennst. Aber dann tu es jetzt! Im Übrigen stehen meine Männer vor den Türen der Kirche, um dich sofort festzunehmen!“
Bartolo zog sein Schwert. Er zögerte, stand einige Augenblicke lang regungslos da und warf die Klinge dann auf den Boden. Der Mann mit der Narbe deutete auf das
Weitere Kostenlose Bücher