Rache@
1. Kapitel
Plötzlich herrschte Totenstille. Als wäre die Cafeteria auf einmal leer. Dabei spürte Ben doch unzählige Augenpaare auf sich gerichtet. Es war wie immer: Alle gafften. Keiner traute sich, etwas zu unternehmen.
Ben rappelte sich langsam hoch. Sein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. Einige Schüler fingen erneut miteinander zu reden an. Ein paar Mädchen kicherten albern. Andere aÃen einfach weiter und taten so, als ob überhaupt nichts geschehen wäre.
Ben wischte sich mit dem Ãrmel übers Gesicht. Langsam bückte er sich nach den Resten seines Mittagessens und wünschte sich zum wiederholten Male, er könnte sich unsichtbar machen. Oder der Boden unter seinen FüÃen würde sich auftun und ihn verschlingen. Oder noch besser: Er sei groÃ, stark und mutig. Leider war nichts davon der Fall.
Mit spitzen Fingern suchte er seine Pommes rot-weià zusammen, die auf dem hellen Linoleumboden der Cafeteria verteilt lagen, und beförderte sie auf den Teller zurück. Danach ging er mit stocksteifen Schritten zum Tresen. Ben nahm sich zwei Servietten, um damit die Ãberbleibsel von Ketchup und Mayonnaise vom FuÃboden und von seinem T-Shirt zu entfernen.
âLass gut seinâ, meinte die dunkelhaarige Frau, die ihm Minuten zuvor die Fritten über die Theke gereicht hatte. Ben hatte sie heute zum ersten Mal in der Schulcafeteria gesehen. Vermutlich gehörte sie zu einem Fünftklässler, hatte er gedacht. Die meisten freiwilligen Helferinnen waren Mütter von Schülern des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums.
âIch nehme gleich einen feuchten Lappen und wische den Rest auf.â Sie nickte Ben freundlich zu. Der schluckte schwer. Suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, während er mit der Serviette an seinem Shirt herumrubbelte â mit dem Ergebnis, dass der Fleck sich nur noch vergröÃerte.
âNicht dochâ, stammelte er. Mehr war nicht drin. Sie aber ignorierte seinen Einwand und kam hinter dem Tresen hervor. Mit dem feuchten Lappen in der Hand, ging sie direkt auf Johannesâ Tisch zu.
Bens Herz setzte für ein paar Schläge aus. In seinen Schläfen begann es heftig zu pochen. Seine Beine drohten wegzubrechen und in seiner Kehle brannte es, als ob er heiÃe Kohlen verschluckt hätte.
Sie wird doch wohl nicht?, dachte er panisch. Das kann sie nicht machen!
Sie konnte. Und wie sie konnte!
Ben wurde übel.
âDu bist wohl nicht bei Trost!â, schimpfte sie und funkelte Johannes finster an. âIch hab genau gesehen, dass du dem Jungen mit Absicht ein Bein gestellt hast.â
Johannes zuckte mit den Schultern und sah sie unschuldig an. âDas halte ich aber für ein Gerüchtâ, säuselte er und erntete dafür ein paar Lacher von seiner Clique.
âAch, und jetzt willst du wohl auch noch frech werden, was?â
âFrech? Ich bitte Sie, das würde ich mich doch niemals trauen.â
In der Cafeteria waren für einen Augenblick wieder sämtliche Geräusche verstummt. Alle starrten zu Johannes und der Frau. Auf Johannesâ Gesicht lag ein unverschämtes Grinsen, während die Frau sichtbare Mühe hatte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
SchlieÃlich gab sie nach. âDu solltest dich schämenâ, schimpfte sie. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte zurück zum Tresen.
Ben stand nach wie vor dort.
âSoll ich dir eine neue Portion Pommes spendieren?â, fragte sie ihn.
Er schüttelte wortlos den Kopf.
âAchâ, sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. âJetzt habe ich vor lauter Ãrger über diesen frechen Bengel ganz vergessen, dein kleines Malheur zu beseitigen.â
Sie streckte die Hand aus und deutete auf den schmierigen Rest Pommes frites, der noch immer auf dem Boden der Cafeteria klebte.
âBitte ...â Ben warf ihr einen flehenden Blick zu. âGeben Sie mir einfach das Wischtuch.â
âThea, quatsch nicht so viel mit den Kids. Hilf mir lieberâ, sagte eine andere Mutter hinter der Theke und stieà die Frau am Oberarm an.
âIch komme ja schonâ, erwiderte sie und reichte Ben augenzwinkernd das Tuch über den Tresen. âDie Pflicht ruft.â
Ben nahm ihr den Lappen aus der Hand und ging damit zu der Stelle, an der sich die Reste seines Mittagessens befanden. Er bückte sich, wischte alles auf und brachte der Frau den
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