Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dackelblick

Dackelblick

Titel: Dackelblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frauke Scheunemann
Vom Netzwerk:
Ich trotte Richtung Terrassentür. Vielleicht treffe ich im Garten Herrn Beck. So ein nettes Gespräch unter Haustieren, das hätte jetzt was.
    Aber leider von Beck keine Spur, weder hinter dem Haus noch im Vorgarten. Dafür mache ich eine andere interessante Entdeckung: Direkt auf dem Mäuerchen, das unseren Vorgarten umgibt, hat eine junge Frau Platz genommen. Sie sitzt da und macht irgendetwas mit ihrem Gesicht. Ich trabe näher heran, um besser sehen zu können. Sie beachtet mich gar nicht, so beschäftigt ist sie mit ... ja, mit was eigentlich? Oberflächlich betrachtet, würde ich sagen, sie malt sich an. Jedenfalls hält sie erst ein Schwämmchen in der Hand, auf dem helle Farbe aufgetragen ist, und dann schmiert sie sich diese Farbe auf die Nase. Einen Moment später nimmt sie einen Stift und streicht eine rote Paste auf ihren Mund. Hm, seltsam.
    Die Frau packt ihre Malinstrumente wieder in ihre Tasche und steht auf. Dann beugt sie sich rasch nach vorne und schüttelt ihre Haare über den Kopf. Sieht ziemlich genau so aus, wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt und sich trockenschüttelt. Dass Menschen das auch ohne Wasser machen: ein weiterer Beweis, dass Zweibeiner völlig irrational handelnde Wesen sind. Ohne Sinn und Verstand. Sie wirft die - völlig trockenen Haare - zurück über die Schultern. Sie sind sehr lang, sehr schwarz und sehr lockig. Erinnert entfernt an den ungarischen Hirtenhund, der mal bei uns auf Schloss Eschersbach zu Besuch war. Da habe ich mich spontan gefragt, wie der überhaupt die Schafe sieht, auf die er aufpassen soll.
    Jetzt sehe ich, dass die Frau neben der Tasche noch einen Koffer dabei hat. Eindeutig ein Geigenkasten, wie ich mittlerweile weiß. Dann ist das wohl die Musikerin, von der eben die Rede war. Ob sie nun für das menschliche Auge besonders hübsch ist, kann ich nicht einschätzen. Ist ja auch schwer zu sagen, schließlich hat sie sich ihr Gesicht so bemalt, dass es in seiner ursprünglichen Form nicht mehr zu erkennen ist. Die schönste Frau auf der Welt ist außerdem Carolin, und der Rest interessiert mich nicht.
    Die Angemalte geht auf den Eingang zu, ich laufe durch den Garten wieder zurück zur Terrassentür und stehe schon neben Daniel, als der die Werkstatttüre öffnet.
    »Daniel, mein Bester!«
    Sie fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Ich gebe mir größte Mühe, zu erkennen, ob mit oder ohne Zunge. Habe schließlich dazugelernt. Leider kann ich es so recht nicht sehen, ihre bauschigen Locken verdecken beide Gesichter. Im eigenen Interesse hoffe ich aber, dass dies hier nur eine normale Begrüßung war, denn etwas anderes kann ich momentan nicht gebrauchen. Auch wenn ich an den jüngsten Entwicklungen nicht unschuldig bin. Bisher war die Werkstatt ein guter Rückzugsort vor menschlichen Gefühlswirrungen, und das soll doch bitte so bleiben.
    »Wow, Aurora, du siehst wie immer fantastisch aus! Komm rein, ich habe schon auf dich gewartet. Carolin ist leider krank und diese Woche nicht in der Werkstatt.«
    »Die Arme! Was hat sie denn?«
    Täusche ich mich, oder klingt diese Anteilnahme irgendwie unecht? Ich würde einen größeren Fleischwurstzipfel darauf verwetten, dass diese Aurora froh ist, Carolin nicht zu sehen.
    »Ach, sie ist ziemlich erkältet. Hat einen ganz dicken Kopf, und ich habe ihr geraten, sich mal richtig auszukurieren.«
    »Ja, gute Idee.« Aurora hebt die Hand und macht eine drohende Geste mit dem Zeigefinger. »Nicht, dass sie dich noch ansteckt. Jetzt, wo ich dich so dringend brauche, mein Lieber.« Endlich bemerkt sich auch mich. »Seit wann hast du denn einen Hund?«
    »Carolin hat ihn im letzten Monat aus dem Tierheim mitgebracht. Süßes Kerlchen, nicht? Ich betätige mich ein bisschen als Hundesitter, solange sie krank ist.«
    »Nett von dir. Ich bin eigentlich kein Hundefreund, Katzen sind mir lieber. Aber der ist wirklich ganz niedlich.«
    Grrr, Katzen sind ihr lieber? Vielleicht zwicke ich die Dame gleich mal in die Hacken, dann hat sie wenigstens einen guten Grund für ihre Katzenliebe.
    »So, dann lass mich das Schmuckstück mal sehen, ich bin schon ganz gespannt.« Daniel hilft Aurora aus dem Mantel und führt sie in seinen Werkstattraum.
    »Das kannst du auch sein, Daniel. Sie ist wirklich wunderschön.«
    Sie reicht ihm den Geigenkasten, er legt ihn auf seine Werkbank und öffnet ihn vorsichtig, nimmt die Geige heraus und dreht sie hin und her. Dann pfeift er anerkennend.
    »Alle Achtung! Cremoneser Schule,

Weitere Kostenlose Bücher