Dackelblick
das Wetter ist schön, und die Vögel zwitschern. Gerade gab es etwas Leckeres zu essen, und spazieren war Carolin mit mir heute auch schon. Es herrscht auch einigermaßen Harmonie in der Werkstatt: Daniel und Carolin reden jedenfalls wieder miteinander. Und trotzdem ist mir zum Heulen zumute. Was ich jetzt auch mache. Von meinem Gejaule aufgeschreckt leistet mir Herr Beck Gesellschaft.
»Was ist denn los mit dir?«, will er wissen. »Schmerzen?«
»Ja. Seelische Schmerzen.«
»Warum denn das?«
»Nichts klappt. Ich habe mir so viel Mühe gegeben, einen Mann für Carolin zu finden. Und sie macht alles kaputt. Jetzt wird sie auch noch Jens einen Korb geben. Dann sind wir wieder am Anfang.«
Herr Beck setzt sich neben mich. »Na ja, aber sieh es doch mal so: Du wolltest einen Mann für Carolin, weil sie als Single so unglücklich war. Nun hat sie sich aber überlegt, es erst mal allein zu versuchen. Also ist sie doch gar nicht mehr unglücklich. Und du brauchst nicht mehr suchen. Passt doch.«
»Nein! Passt überhaupt nicht. Denn
ich
bin unglücklich. Ich will ein Herrchen. Weißt du, der Tag an der Elbe mit Jens und Carolin war unglaublich schön.
So
müsste es sein: als Hund bei einem glücklichen Paar. Und seitdem ich das weiß, habe ich einfach gehofft, dass sich Carolin bald richtig verliebt. Muss nicht mal Jens sein. Aber kann ruhig. Weißt du, ich glaube, ich will eine richtige Familie. Ein Rudel.«
Herr Beck seufzt. »Ihr Hunde lernt es aber auch nicht! Warum hängt ihr euer Herz immer an Menschen? Das gibt nur Ärger! Ein Mensch kann doch niemals deine Familie sein, Herkules. Das ist Unsinn, sieh es endlich ein!«
»Aber ich wünsche es mir so!«
»Dann sei ruhig weiter frustriert. Es wird nicht dein letztes Frusterlebnis mit den Menschen bleiben, das garantiere ich dir.« Mit diesen Worten dreht sich Herr Beck um und wandert wieder davon.
Soll er ruhig. Ein großer Trost war er sowieso nicht.
Ich setze mich auf und beschließe, Herrn Becks weise Ratschläge einfach zu ignorieren. Natürlich kann ein Hund Teil einer menschlichen Familie sein. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass eine Katze das auch könnte, sie müsste nur wollen. Das bringt mich aber wieder zu meiner Ausgangsüberlegung: Wie komme ich selbst an eine Familie? Aber vielleicht ist es ja für Jens und Carolin noch nicht zu spät. Immerhin sind sie heute Abend verabredet. Vielleicht kann ich da irgendwie für gute Stimmung sorgen? Immerhin hat Carolin selbst gesagt, dass sie den Tag mit Jens toll fand. Auf alle Fälle muss ich mich irgendwie in diese Verabredung mit reinmogeln, komme, was da wolle! Den restlichen Nachmittag verbringe ich also damit, mich auf die Lauer zu legen. Nicht, dass Carolin noch ohne mich das Haus verlässt.
Tatsächlich macht sie heute etwas früher Schluss als sonst und geht hoch, um sich umzuziehen. Ich hefte mich an ihre Fersen und weiche auch nicht von ihr, als sie noch einmal ins Badezimmer verschwindet.
»He, Herkules! Was ist denn heute los mit dir? Du bist so anhänglich.« Sie scheucht mich vor die Badezimmertür und schließt ab.
Nun gut, wenn sie wieder rauskommt, muss sie an mir vorbei, es sei denn, sie klettert aus dem Fenster.
Tut sie natürlich nicht - nach einer ganzen Weile taucht sie wieder auf und hat jetzt das schwarze, kurze Kleid an, über das wir neulich Abend schon einmal diskutiert haben. Außerdem hat sie ihre Haare auf ihrem Kopf zu einem kleinen Berg aufgetürmt. Ich schöpfe Hoffnung - wenn Carolin so viel Arbeit auf ihr Aussehen verwendet, will sie sich das mit Jens vielleicht doch noch mal überlegen.
Es klingelt, und kurz darauf steht Jens vor unserer Tür. Carolin begrüßt ihn mit einem Küsschen auf die Wange, dann beugt sie sich zu mir herunter.
»So, Herkules, du bleibst heute hier. Also sei schön brav und spring vor allem nicht wieder vom Balkon!«
Nix da! Ich will nicht hierbleiben. Ich laufe herüber zu Jens und mache Männchen. Der lacht amüsiert.
»Scheint so, als wolle uns dein Kumpel unbedingt begleiten. Hat mich wohl seit der Wurstaktion ins Herz geschlossen.«
»Das kommt gar nicht infrage. Der bleibt schön hier.«
Pfui! Wie herzlos von dir! Aber ganz so einfach lasse ich das nicht mit mir machen. Als Carolin die Wohnungstüre öffnet, renne ich einfach los und an ihr vorbei ins Treppenhaus. Unten angekommen, habe ich Glück: Die Wellensittich-Meyer kommt gerade ins Haus, und ich kann an ihr vorbei ins Freie. Dort steht auch schon das Auto ohne Dach und
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