Daemmerung ueber der See
würden. Für die Fähnriche war es der erste, der wichtigste Schritt auf der Karriereleiter. Die wenigsten würden weiter hinaufsteigen.
Lovelace verließ das Lazarett mit zwei Büchern. Bolitho erinnerte sich daran, was ihm der Arzt erzählt hatte. »Haben Sie jemals daran gedacht, den großen Sprung zu wagen und zum College of Surgeon zu gehen, Mr. Lovelace? Mr. Minchin hat eine hohe Meinung von Ihnen.«
Es war das erste Mal, daß er den Mann lächeln sah.
»Ich hätte auch gerne eine Kutsche mit zwei Pferden, Sir Richard.« Das Lächeln verschwand. »Verzeihung, Sir, ich wollte nicht beleidigend sein.«
Avery lehnte an den geschwungenen Spanten und sah zu. Bolitho griff nach dem Arm des jungen Mannes. »Sollten wir den Feind morgen schlagen, werde ich Sie unterstützen.« Avery hielt den Atem an, er wollte kein Wort versäumen.
»Mein verstorbener Flaggleutnant hätte auch wie sein Vater und sein Onkel Medizin studieren sollen, und nicht das Kriegshandwerk. Statt dessen …« Er wandte sich zur Seite. »Das Schicksal hat anders entschieden. Gott sei ihm gnädig.«
Lovelace starrte ihnen noch nach, als sie den Niedergang hochstiegen.
Avery bemerkte: »Das war ein sehr großzügiges Angebot, Sir.«
»Man erntet nur, was man sät.« Er griff nach dem Tauhandläufer, als der Rumpf in einer Kreuzsee überholte. »Essen Sie heute abend mit mir. Ich möchte die Signale für morgen durchgehen. Später wird dafür wenig Zeit bleiben.«
Die Mahlzeit, die sie mit etwas Wein herunterspülten, den Catherine in der St. James's Street gekauft hatte, war einfach. Aber unter Ozzards geschickten Händen wurde es doch ein würdiger Abschluß des Abends. So als ob ihn die Nähe des Flaggleutnants anregte, erzählte Bolitho von Männern und Feldzügen. Avery wußte, daß er von Männern wie Jenour sprach, an die sich bald nur die wenigen erinnern würden, die die Erfahrungen teilten.
Er sah, daß Bolitho das Medaillon unter seinem Hemd berührte, den Blick weit in die Ferne gerichtet. »Ich werde vor dem Schlafengehen dem Brief an Lady Catherine noch ein paar Sätze hinzufügen. Sie mochte Stephen sehr. Er hat sie immer wieder gemalt, so wie die vielen alltäglichen Szenen, die um ihn herum passierten.«
Er brauchte ihr nicht zu schreiben, was sie machen sollte, wenn sie den Brief erhielt. Sie würde nach Southhampton fahren und Jenours Eltern die Nachricht überbringen, um ihnen die brutale Formalität eines Briefes der Admiralität zu ersparen.
Das Sekretariat der Admiralität bedauert, Ihnen mitteilen zu müssen …
Das sollte niemandem zugemutet werden.
Abrupt sagte er: »Wenn mir etwas zustoßen sollte …« Er blickte Avery direkt an. »In meinem Safe liegt ein Brief, den Sie dann bitte aushändigen …«
»Ich würde es vorziehen, wenn er nie gelesen würde, Sir Richard.«
Bolitho lächelte. »Das war gut formuliert.« Ohne zu bedenken, was er tat, berührte er sein Auge, »Baratte ist ein verschlagener und trickreicher Mann, der jede List einsetzen wird, um uns zu schlagen. Wer auch immer verlieren wird, ist ruiniert – Sie kennen das ja. Sein Vater wurde während der Zeit des Terrors als Aristokrat verteufelt und vor dem johlenden Mob enthauptet. Dabei war er ein ehrenwerter Offizier. Frankreich hätte seinen Tod beklagen sollen und all das Blut, das vergossen wurde. Baratte tat alles, um sich seinem Land dienlich zu erweisen. Vielleicht auch, um sich selbst zu schützen. Das ist eine Schwäche, die ihn möglicherweise dazu verleiten wird, einen Schachzug einmal zu oft zu probieren.«
»Und was ist mit diesem Engländer Hannay, Sir?«
»Er wird kämpfen wie nie zuvor.«
»Also kein Schwachpunkt?« Avery war fasziniert von der inneren Stärke des Mannes, dessen graue Augen voller Kraft und Gefühl waren, wenn er so bildhaft von den Gegnern sprach. Es war unmöglich zu erkennen, daß der Vizeadmiral auf dem einen Auge fast blind war. Ein Geheimnis.
»Nun, er ist nicht daran gewöhnt, Befehle auszuführen.« Bolitho zuckte mit den Achseln. »Besonders die eines Franzosen!« Er schien sich zu amüsieren, dann blickte er in Averys ernstes Gesicht. »Mr. Yovell hatte schon am ersten Tag in Falmouth eine hohe Meinung von Ihnen. Er war von Ihren Lateinkenntnissen beeindruckt, obwohl ich damals nicht vermutete, daß sie sich als wertvoll erweisen würden.«
»Viel wird morgen von Ihrem Neffen abhängen, Sir.«
»Ja. Ich bin sehr stolz auf ihn. Er ist mir wie ein Sohn.«
Avery vertiefte diesen Punkt nicht weiter.
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