Daemmerung ueber der See
der er die Unterschiede zwischen dem Achterdeck und dem Vorschiff überwand, vom Seehelden zum gemeinen gepreßten Matrosen. Etwas von dieser Bewunderung und Traurigkeit mußte sich in seinem Gesicht widergespiegelt haben, denn Bolitho blickte erst zur
Anemone,
dann auf Allday, der bei einer der Kanonen stand. Dann fragte er ruhig: »Er hat es Ihnen erzählt, nicht wahr?«
»Ja, Sir. Sie können mir vertrauen.« Er zögerte. »Kann nichts dagegen getan werden?«
»Ich glaube nicht.« Er lächelte. »Lassen Sie uns meinen Neffen empfangen und herausfinden, was er weiß.«
Avery blickte zu Allday und sah, daß dieser ihm kurz zunickte. Er war akzeptiert.
Bolitho stand vor der Tür des Lazaretts. Außerhalb des Rumpfes lag die See in völliger Dunkelheit, nur gelegentlich brach sich phosphoreszierend eine Welle. Sogar das Schiff schien ruhiger als üblich zu sein, doch diesmal nicht aus Angst vor Bestrafung.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit, die die Schiffe trennen würde, hatte Tyacke ein letztes Signal übermittelt. Er hatte mehrere Segel in Nordosten gesichtet. Das konnte nur der Feind sein. Bolitho dachte an Adams kurzen Besuch, um sich Befehle abzuholen und von den Schreckensbildern auf der treibenden
Orcadia
zu berichten. Er hatte geschildert, warum er seine Patrouille abgebrochen und seine Ankunft mit einer Breitseite angekündigt hatte. Er hatte einen arabischen Toppsegelschoner gesichtet, der die
Anemone
beschattet haben mußte, seit sie die
Orcadia
verlassen hatte. Einer von Barattes Spitzeln oder ein Sklavenjäger, der das Risiko auf sich nahm, aufgebracht zu werden. Jedenfalls war zu wenig Zeit gewesen, ihn zu stellen, zudem bestand die Gefahr, ihn in einer herannahenden Regenbö zu verlieren. Adam hatte eine Breitseite aus maximaler Entfernung feuern und das Schiff entmastet treiben lassen.
Die Stärke des Gegners war unbekannt, während ihre eigene Stärke in Barattes Plänen sicher eine feste Größe darstellte.
Jedenfalls würden sie sich in der Dunkelheit nicht trennen, sondern eng beieinander bleiben.
Bolitho konnte sich die Freiwache vorstellen, die jetzt auf das Unausweichliche wartete, die Landratten und die Jungen, die die alten Hasen befragten: Wie wird es sein?
Er hörte Avery hinter sich. Er überließ ihn seinen Gedanken, war aber da, wenn er ihn brauchte.
Woher wußte er, daß Trevenen ein Feigling war? In seiner Stimme war nicht die Spur eines Zweifels gewesen. Hatte es ihm Sillitoe erzählt oder sein Vater, der in einer Schlacht gefallen war?
Trevenens Meineid, um seinen Kapitän zu retten, war kein Kavaliersdelikt. Kommandant der
Valkyrie
zu sein, reichte aus, ihn bald zum Flaggoffizier zu befördern, sollte er sich aus Schwierigkeiten heraushalten und Hamett-Parker nicht reizen.
Minchin tauchte aus dem Dämmerlicht auf. »Ja, Sir Richard?«
»Wie geht es ihm?«
Minchin kratzte sich am Kopf. »Er schläft jetzt. Er hat eine Menge gemosert, aber das ist üblich.« Er grinste, als Herrick rief: »Wer ist da?«
Bolitho trat in den Lichtschein der einzigen Laterne. »Ich bin es, Thomas.«
Herrick stöhnte schmerzlich, als er sich aufrichten wollte. Zwischen zusammengebissenen Zähnen knurrte er: »Verdammt, mit einem Arm hat man mehr Sorgen als mit zwei.« Dann lag er wieder still, seine Augen glühten im flackernden Licht.
»Also müssen wir kämpfen?«
»Wir müssen gewinnen, Thomas.«
Herrick trank aus einer Mugg, die ihm Lovelace reichte. »Es ist immer dasselbe. Nicht genug Schiffe, wenn man sie braucht. Wir haben das schon mehrfach erlebt, nicht wahr? Sie werden es nie lernen, weil sie nicht dabei sind, es nicht auszufechten haben.«
»Beruhige dich, Thomas.«
»Ich weiß, ich weiß.« Sein Kopf rollte von einer Seite zur anderen. »Und ich bin dir auch keine Hilfe.«
Herrick sah zum ersten Mal Avery. »Ich habe Sie in Freetown brüskiert, Mr. Avery.« Er blickte zur Seite. »Von dem armen Jenour habe ich auch gehört. Kein Alter, um abzutreten.«
Bolitho blieb wieder an der Tür stehen. »Versuche zu schlafen. Ich kümmere mich um dich, falls …«
Herrick hob seinen linken Arm. »
Falls
ist auch immer so ein schreckliches Wort.«
Außerhalb des Lazaretts herrschte auf dem Schiff völlige Ruhe. Ein paar Fähnriche drängten sich eng zusammen, die Gesichter waren nur helle Flecken. Bolitho wußte, daß sie sich gegenseitig Fragen zur Navigation und Seemannschaft stellten, um sich auf jenen magischen Tag vorzubereiten, an dem sie ihre Leutnantsprüfung ablegen
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