Dämonen-Zwillinge
nicht gut gegangen, aber so schlimm wie heute war es eigentlich nie gewesen. Etwas musste sie wahnsinnig gestört haben, aber etwas, das für andere Menschen nicht sichtbar war und nur sie persönlich etwas anging. Er war längst zu der Überzeugung gelangt, dass Dagmar durch irgendeine Macht gequält wurde.
Er erinnerte sich daran, dass er nach diesen Attacken öfter mit ihr darüber gesprochen hatte. Gemeinsam hatten sie nach Antworten gesucht und nur eine sehr allgemeine gefunden. Dagmar hatte von ihrer Vergangenheit gesprochen, jedoch von einer, die nicht so leicht fassbar war und im Dunkel der Zeiten begraben lag. So jedenfalls hatte sie sich ausgedrückt, und Harry glaubte ihr, denn seine Partnerin war zwar ein normaler Mensch mit allen Vor- und Nachteilen, zugleich aber gehörte sie zu einer Kaste von Personen, die etwas Besonderes an sich hatten und als Psychonauten bekannt waren. Menschen, die noch ihr drittes Auge besaßen, das sich auf der Stirn abzeichnete.
Harry war davon überzeugt, dass ihr Verhalten damit in Verbindung stand, aber er hatte mit Dagmar bewusst darüber noch nicht gesprochen und wollte, dass sie von allein redete. So heftig wie in dieser Nacht waren ihre Anfälle nie gewesen. Es konnte durchaus sein, dass sie einen Punkt erreicht hatte, an dem sie reden wollte.
Er hoffte es, denn nur wenn es Fakten gab, konnte er etwas dagegen unternehmen.
Harry hatte ein hohes Glas mit dem Mixgetränk gefüllt und ging wieder zurück in das gemeinsame Schlafzimmer.
Dagmar lag noch immer so im Bett, wie er sie verlassen hatte. Sein Unterhemd war auch weiterhin als Verband um den Arm gewickelt und hatte sich nicht gelöst.
»Wieder einigermaßen okay?«
»Ja, Harry, aber ich fühle mich schwach. So verdammt schwach. Als hätte ich einen langen Kampf hinter mich gebracht. Dann habe ich gesehen, dass der Schirm der Lampe zerbrochen ist und...«
Er winkte ab. »Das ist nicht weiter tragisch. Wir kaufen eine neue. Mach dir deswegen keine Sorgen.«
»Es hätte trotzdem nicht sein müssen.«
»Kannst du etwas dafür, Dagmar?«
»Ich weiß es nicht.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, hatte auch den Mund geöffnet, doch dann ließ sie es bleiben, und Harry bat sie, einen Schluck zu trinken.
Dagmar richtete sich mühsam auf, damit sie nicht im Liegen schlucken musste. Das Glas hielt sie mit beiden Händen fest, und sie trank es fast leer. Als sie es absetzte, flüsterte sie: »Das hat gut getan. Das war genau das Richtige.«
»Ist schon okay.« Harry stellte das Glas zur Seite. Es war nicht besonders hell im Zimmer. Aus dem Flur drang das Licht durch die offen stehende Tür. Es verteilte sich so weit im Schlafzimmer, dass sie alles gut erkennen konnten und sich die dunkleren Stellen in Grenzen hielten. Vor das Fenster war ein Rollo gezogen worden. Auch außerhalb der Wohnung innerhalb des Hauses, in dem mehrere Parteien lebten, war es still geworden. Eine Stunde vor Mitternacht gingen die meisten Menschen ins Bett, denn in wenigen Stunden begann wieder ein neuer Tag. Ein Wintertag, der kalt, aber auch klar werden sollte, denn Schnee war nicht angesagt, sondern Sonne und Kälte.
Dagmar Hansen legte sich nicht wieder hin und blieb in der halb sitzenden Stellung. Sie schaute ihren Freund an, und Harry wirkte dabei etwas verlegen. Er wusste auch nicht, was er so recht sagen sollte, bis er schließlich davon sprach, die Wunde zu desinfizieren und sie mit einem luftdurchlässigen Pflaster zu verkleben.
»Ja, mach das, Harry. Hast du noch Splitter gesehen?«
»Nein, habe ich nicht. Aber ich schaue sicherheitshalber noch mal nach.« Bevor er ins Bad ging, hob er die großen Splitter der Lampe auf. Er transportierte sie ebenfalls ins Bad und legte sie dort an einer Stelle nieder, wo sie niemanden störten. Dann öffnete er den kleinen Medizinschrank, um nach bestimmten Dingen zu suchen. Das Desinfizierungsmittel hatte er schnell gefunden, Pflaster und Verbandsmull ebenfalls, und auch eine Pinzette nahm er mit.
Im Schlafzimmer schaltete er das Licht ein, um besser sehen zu können. Dagmar zwinkerte mit den Augen und verzog die Mundwinkel, denn die Helligkeit hatte die gestört.
Harry löste den provisorischen Verband und betrachtete die Verletzung. Er atmete auf, denn der Splitter hatte keine tiefe Wunde gerissen, sondern eher einen Kratzer hinterlassen, der wirklich nicht weiter tragisch war.
Trotzdem musste er desinfiziert werden, was er tat. Dagmar spürte den Schmerz. Sie zuckte nur zusammen,
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