Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Zerstörung gab es keinen Zweifel und trotzdem hielt sie die angesengten Überreste genau dieses Buches in der Hand.
Doro rannte hinaus auf den Hof. Sie wusste nicht, was oder wen sie erwartet hatte, aber die Feststellung, dass sie allein war, machte ihr plötzlich Angst.
Warum hatte dieses verdammte Buch ausgerechnet den Weg zu ihr gefunden? Es war Alexanders Aufgabe gewesen…
Alexander. Vielleicht hatte er ihr das Buch geschickt? Vielleicht war er zurückgekehrt und das Päckchen war seine Nachricht an sie, dass er auf sie wartete.
Der Gedanke Alexander wieder in die Arme zu nehmen, ihn zu küssen, seine samtweichen Hände auf ihrem Körper zu fühlen und den Duft seiner Haut einzuatmen, ließ sie alles um sich herum vergessen. Sie hetzte zu dem alten Pickup, der vor dem Wohnhaus auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes stand. Mit zitternden Fingern schob sie den Zündschlüssel ins Schloss. In längstens einer halben Stunde wäre wenigstens ein kleiner Teil ihrer Welt wieder in Ordnung, denn sie würde Alexander wiedersehen…
Drei Monate später
Die Hoffnungen, mit denen sie seit Monaten und nahezu jeden Abend dieses Ritual beging, waren dabei stets dieselben.
Sie stellte den Wagen ab und setzte sich in den Schatten des mächtigen Nussbaumes, der mit seinen Ästen nahezu den kompletten Hof überspannte. Statuengleich saß sie dann im fahler werdenden Abendlicht und beobachtete stumm die Sprossenfenster des Hauses. Mittlerweile war es Juli geworden. Die heißeste Zeit des Jahres war angebrochen, doch sie spürte die hochsommerliche Hitze nicht. Sie wartete nur auf ihn, aber er erschien nicht. Ruhig und schweigend verharrte sie auf ihrem angestammten Platz, bis sich die Nacht über die Mühle und das Tal senkte und hoffte, dass sich die Fenster des Gebäudes erhellten. Doch nichts geschah, was ihr einen Funken Hoffnung geben konnte, dass Alexander je zu ihr zurückkehrte.
Heute kam Doro zum letzten Mal zur Steinach-Mühle, denn sie hatte eine Entscheidung getroffen. Die Hoffnungslosigkeit und die Trauer, die sie in den letzten Monaten durchlebt hatte, sollten endlich weichen. Ihr Leben brauchte wieder einen Sinn, zumal es sich gerade grundlegend zum Positiven hin veränderte.
Erics Testament war vor wenigen Wochen eröffnet worden und darin hatte sie ihr Vater zur Alleinerbin bestimmt. Danach begannen sich die Ereignisse zu überschlagen. Lille hatte sich seit Erics Tod als treue Freundin erwiesen und ihr geholfen, wo sie nur konnte. Sie fand Gefallen an ihrer neuen Tätigkeit und hatte zudem etwas Geld gespart. Nun wollte sie ihre Geschäftspartnerin werden und in den Pferdehof einsteigen. Von Doros Seite aus gab es keine Einwände. In den vergangenen drei Monaten hatte sich Dank Lilles Unterstützung einiges zum Besseren gewendet. Sie scheffelten zwar keine Reichtümer, aber es war genug, damit der Hof nicht nur überleben konnte, sondern so viel Gewinn abwarf, dass es für die Anstellung eines zusätzlichen Reitlehrers reichte, während sich Doro um ihre Lizenz als Profitrainer kümmerte. Und noch etwas hatte sich verändert. Sie bemerkte immer öfter, wie sich der Schleier des Vergessens über ihre Gedanken legte, wenn sie einmal nicht zum Höllengrund fuhr. Die Erlebnisse in der Zwischenwelt fingen allmählich an zu verblassen und in stillen Momenten war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob die Ereignisse tatsächlich stattgefunden hatten. Vielleicht wünschte sie sich mittlerweile in ruhigen Momenten sogar, dass alles nur ein Produkt ihrer überschäumenden Fantasie gewesen war. Im Grunde spielte es keine Rolle mehr. Da draußen wartete ein neues Leben und die Zeit war gekommen, sich von Alexander zu verabschieden.
Ihr Blick glitt noch einmal an den Fachwerkfassaden entlang und weiter zu dem gegenüberliegenden, schroffen Berghang mit seinen dunklen, Tannen bestandenen Gipfeln, die glutrot im letzten Abendlicht leuchteten.
„Leb wohl, Alexander, wo immer du auch sein magst“, flüsterte sie und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
EPILOG
31. Oktober
Doro richtete sich auf und lehnte den Rücken gegen das Kopfteil ihres Bettes. Sie zog die Daunendecke bis unter das Kinn hinauf, denn obwohl es in ihrem Schlafzimmer angenehm warm war, fröstelte sie. Ihr Blick wanderte unruhig durch den Raum. Das erste matte Licht des Tages warf helle, rechteckige Flecken durch die Fenster. An den aufgezogenen Gardinen verweilten ihre Augen. Sie konnte schwören, dass sie beim
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