Dämonentor
wir Sie in die Staaten schickten,
wussten wir noch nicht, mit wem Sie es zu tun haben würden und was Dr. O’Brien
entdeckt hatte. Die Amerikaner verfügten über diese Informationen, weswegen Dr.
O’Brien das Land nicht verlassen durfte. Sobald ihnen allerdings die damit
verbundenen Sicherheitsrisiken bewusst wurden, ließen sie Dr. O’Brien gehen.
Sie ist keine Amerikanerin. Außerdem hatten sie sich ihre Forschungsergebnisse
bereits angeeignet, die ganz interessant waren, aber nichts Weltbewegendes
beinhalteten. Je mehr Informationen über Dr. O’Brien an die Öffentlichkeit gelangten,
desto interessanter wurde sie für einen bestimmten Personenkreis, wie zum
Beispiel die Anhänger von Izzadin al-Qassem, die sie in Santa Cruz zu kidnappen
versuchten. Das gefiel den Amerikanern natürlich überhaupt nicht, und sie waren
auf einmal froh, Dr. O’Brien loszuwerden. Nun ist sie hier unter unserer
Kontrolle. Die Amerikaner haben sie nicht nur abgeschoben, sondern uns auch
gebeten, uns um sie zu kümmern.«
»Wenn sie nichts Herausragendes gefunden hat, warum
ist sie dann so wichtig?«
Angleton wirft mir einen seltsamen Blick zu. »Das
lassen Sie mal meine Sorge sein.« Und dann fällt bei mir der Groschen. Nehmen
wir mal an, ich könnte auf einmal eine Wasserstoffbombe bauen, was ja
heutzutage nichts Besonderes mehr ist. Aber als unbedeutend würde es auch nicht
abgetan werden. Angleton fährt fort: »Sagen wir es so: Dr. O’Brien hat
unabhängig von uns etwas Bedeutsameres entdeckt als eine neue Brotform. In den
Staaten hat sich sogar die Schwarze Kammer für sie interessiert, die zum
okkulten Geheimdienst gehört, beteuerte aber nach monatelangen Untersuchungen,
dass Dr. O’Brien nichts wirklich Neues gefunden hätte. Wir mögen zwar keinen
bilateralen Kooperationsvertrag mit den Amerikanern haben, aber als sie erst
einmal eruiert hatten, dass Dr. O’Brien nicht viel mehr als einer Alternative
zur Logik von Thoth auf der Spur war, ließ ihr Interesse abrupt nach. Jetzt
mussten sie nur noch aufpassen, dass sie nicht solch unerfreulichen Burschen
wie unserem Freund Tariq Nassir in die Hände fällt. Nachdem dieses Wirrwarr
schließlich auch aus dem Weg geräumt war –« Er starrt mich beim Wort »Wirrwarr«
vorwurfsvoll an »– gab es keinen Grund, sie noch weiter festzuhalten.«
»Und das war alles? Ich habe diese Leute doch
beobachtet. Sie wollten offenbar ein riesiges Tor öffnen und sie da
durchschleusen –«
Angleton schaltet abrupt den Memex-Apparat aus und
steht auf. »Offiziell ist nichts dergleichen geschehen«, weist er mich zurecht.
»Es gibt keinerlei Zeugen oder Beweise. Wenn so etwas geschehen wäre, würde es
bedeuten, dass die Amis einen gewaltigen Fehler begangen hätten, indem sie Dr.
O’Brien freiließen, beziehungsweise uns in eine unmögliche Situation gebracht
hätten. Aber wir wissen ja, dass die Amerikaner nie einen Fehler machen.
Schließlich hat unser glorreicher Premierminister seine Lippen fest um eine der
dicken Zigarren des amerikanischen Präsidenten gepresst – stets in der
Hoffnung, den bilateralen Wirtschaftsvertrag, über den kommenden Monat in
Washington verhandelt wird, unter Dach und Fach zu bringen. Muss ich noch
deutlicher werden?«
»Nein, aber …« Ich halte inne. »Ach, sieh mal einer
an. Offizieller Bericht von Bridget, oder?«
Zum ersten Mal entdecke ich in Angletons Mimik etwas,
das bei grellem Licht betrachtet als Anzeichen eines Lächelns interpretiert
werden könnte. »Dem kann ich leider nichts hinzufügen.«
Ich denke einen Moment lang scharf nach. »Es ist also
nichts passiert«, sage ich mechanisch. »Es gab keine Zeugen. Wäre etwas
geschehen, würde das heißen, dass wir eine tickende Zeitbombe mit offenen Armen
willkommen geheißen hätten. Einige Terroristen erfuhren vielleicht ganz
zufällig von einer Entwicklerin übernatürlicher Wasserstoffbomben, und ein
schlauer Kopf bei der amerikanischen Marineaufklärung hatte daraufhin die Idee,
diese Zeitbombe auf zwei Beinen uns zu überlassen. Sollte uns ein Fehler
unterlaufen, sind die Amerikaner fein raus und haben politisch eine weiße
Weste. Ich verstehe.«
»Sie arbeitet für den Rest ihres Aufenthalts hier rein
forschungsorientiert in der Bibliothek«, erklärt Angleton gelassen. »Vielleicht
möchten Sie die junge Dame ja mal zum Essen einladen. Es wäre in meinem
Interesse, über ihre Forschungen aus zweiter Hand informiert zu werden, vor
allem von jemandem, der so viel von
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