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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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wenn ich nicht in genau zehn Minuten wieder vor
ihm stehe. Aber falls Sie heute Mittag oder Abend Zeit hätten, würde ich Ihnen
gerne alles genauer erklären.«
    »Dann können Sie sich ja schon mal einige gute
Ausreden zurechtlegen, Bob«, erwidert sie und schiebt den Bücherwagen, der mit
Bänden über die Schottische Gesellschaft esoterischer Altertümer beladen
ist, in meine Richtung.
    »Keine Ausreden«, verspreche ich ihr. »Nichts als die
Wahrheit.«
    »Pah!« Ihr Lächeln ist genauso unerwartet wie rätselhaft.
Dann schließt sich die Tür und bringt Mo noch weiter in die Katakomben
hinunter.
    Die Katakomben befinden sich in einer ehemaligen
U-Bahn-Station, die während des Zweiten Weltkriegs als Notbunker gebaut, aber
nie Teil des U-Bahnnetzes wurde. Es gibt hier sechs statt der üblichen drei
Ebenen. Jede Ebene führt von einer zentralen, gut dreihundert Meter langen,
waagerechten Röhre mit etwa acht Metern Durchmesser in eine andere Richtung. Es
befinden sich jeweils drei unten und drei oben. Insgesamt existiert hier unten
ein circa zwei Kilometer langer Tunnel, und es gibt an die fünfzig Kilometer
Regale. Das meiste Material ist auf Microfilme gespeichert – fünfzehn solcher
winziger Kärtchen ergeben etwa hundert Buchseiten. In den letzten Jahren wurden
zudem goldene CDs eingelagert – ich nehme an, wir lagern hier so um die
dreißig- bis vierzigtausend. Das macht zusammengenommen eine Menge Information.
    Da ist auch schon das Regal, wohin die Ordner über Wilberforce
Tangent und Opal Orange gehören. Ich drehe an der Kurbel, um die
Regale auseinanderzurollen und stelle die Akten an ihren Platz. Sie betreffen
zwei tote Agenten, die vor vielen Jahren ums Leben kamen. Ich halte inne, als
ich neben Opal Orange eine neue Akte mit dem Titel Oger-Realität entdecke.
Der Titel fasziniert mich, und als Revoluzzer, der ich nun einmal bin, halte
ich mich nicht an die strikten Anordnungen und ziehe den Band heraus. Ich
überfliege das Inhaltsverzeichnis und durchblättere einige Papiere. Als ich den
Stempel »STRENG GEHEIM« entdecke, will ich die Akte schon wieder zuschlagen. Da
stechen mir die Worte »Santa Cruz« ins Auge. Hastig lese ich den Text.
    Fünf Minuten später stelle ich den Band zurück ins
Regal. Kalter Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Ich rolle die Regale
wieder zusammen und eile zum Lift. Angleton darf bloß nicht erfahren, was ich
hier unten treibe – erst recht nicht mehr, seitdem ich die Akte gelesen habe.
Es scheint ganz so, als hätte ich großes Glück gehabt, überhaupt noch am Leben
zu sein …
     
    »Hören Sie mir gut zu, Mr. Howard. Sie befinden sich
in einer privilegierten Situation, denn Sie haben Zugang zu Informationen, für
die andere Leute im wahrsten Sinne des Wortes töten würden. Und weil Sie
sozusagen über die Wäscherei hier hereingestolpert sind, ist Ihr
Geheimnisträgerstatus deutlich höher, als der eines einfachen Angestellten. Einerseits
ist dies recht nützlich; jede Organisation benötigt Nachwuchskräfte mit Zugang
zu sehr geheimen Informationen bestimmter Art. Andererseits kann es aber auch
eine große Hürde darstellen.« Angleton zeigt mit seinem knochigen Mittelfinger
direkt auf mich. »Denn Sie haben keinerlei Respekt.«
    Der Typ hat offensichtlich den Film Der Pate zu
oft gesehen. Vielleicht mag er auch einfach nur mein T-Shirt nicht. Darauf ist
ein Bereitschaftspolizist in Uniform und mit Schlagstock in der Hand zu sehen.
Darunter steht: »Autorität ist alles«. Ich schlucke und warte erst einmal ab,
was wohl als Nächstes kommen mag.
    Angleton seufzt tief und starrt auf die dunkelgrüne
Ölfarbe an der Wand hinter mir. »Sie können vielleicht Andrew Newstrom hinters
Licht führen, aber bei mir funktioniert das nicht so einfach«, erklärt er.
    »Sie kennen Andy?«
    »Ich habe ihn ausgebildet, als er ungefähr in Ihrem
Alter war. Sein Verantwortungsbewusstsein und sein Engagement sind
bewundernswert und heutzutage kaum mehr zu finden. Und ich weiß auch, wie es um Ihr Pflichtbewusstsein steht. Damals wussten wir noch, worauf wir uns
einzustellen hatten, sobald wir eingezogen wurden. Aber ihr junges Gemüse heutzutage
…«
    »Wir fragen nicht, was wir für unser Land tun können,
sondern nur, was unser Land je für uns getan hat?« Ich schaue ihn fragend an.
    »Zumindest wissen Sie, wo es bei Ihnen hapert«,
entgegnet er kalt.
    Ich schüttele den Kopf. »Nein, da verstehen Sie mich
falsch. Ich habe mich entschlossen, hier Karriere zu machen.

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