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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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oben bis unten mit Aktenschränken zugestellt. Es sind allerdings keine
gewöhnlichen Aktenordner, sondern Bände mit Mirofichefilmen. Jeder einzelne
enthält ungefähr so viel Information wie die gesamte Encyclopedia Britannica.
Auf den ersten Blick erscheint sein Schreibtisch etwas merkwürdig, ein
olivgrüner Kasten mit Metallbeschlägen, auf dem ein altes Microfiche-Lesegerät
steht. Erst wenn man näher tritt und etwas Ahnung von Computer-Archäologie hat,
merkt man, dass Angletons Schreibtisch in Wirklichkeit eine Rarität
sondergleichen darstellt. Es handelt sich nämlich um einen antiken Memex – ein
Wissensbeschaffungs- und Verwertungs-System der CIA aus den Vierzigerjahren.
    Angleton schaut zu mir hoch, als ich eintrete. Sein
Gesicht schimmert bläulich vom Licht des Memex-Bildschirms. Er hat nur noch
wenige Haare auf dem Kopf, sein Kinn ist zwei Nummern zu klein für den Rest des
Körpers, und sein Schädel glänzt wie eine Billardkugel. »Howard. Haben Sie es
gefunden?«
    »Teile davon, Chef«, erwidere ich. »Einen Augenblick.«
Ich kehre in mein Büro zurück und ergreife die riesigen Wälzer, die ich aus den
Gedärmen des Service-House ans Tageslicht befördert habe. »Hier sind sie. Wilberforce
Tangent und Opal Orange.«
    Er nimmt die Wälzer ohne Kommentar entgegen, öffnet
den ersten und füttert den Memex mit neuen Microfiches. »Danke, Howard, das ist
alles«, entlässt er mich hochmütig.
    Ich beiße die Zähne zusammen und überlasse Angleton
seinen heiligen Microfiches. Einmal habe ich den Fehler gemacht, ihn zu fragen,
warum er eine Maschine benutzt, die in einem Museum besser aufgehoben wäre. Er
starrte mich an, als ob ich ihm einen toten Fisch unter die Nase gehalten hätte
und meinte dann kühl: »Ein Microfiche-Lesegerät kennt keine Van-Eck-Strahlung.«
(Die sogenannte Van-Eck-Strahlung ist das Hintergrundrauschen von Monitoren und
kann mit hochempfindlichen Sensoren aus einiger Distanz gemessen und
interpretiert werden.) Das war noch am Anfang meiner Strafversetzung, und ich
hatte noch nicht gelernt, meinen Mund zu halten. »Und was ist mit dem
Tempest-Schild?«, erkundigte ich mich. Daraufhin hat er mich das erste Mal in
die Unterwelt des Service-House geschickt, aus der ich nach drei Stunden von
einem zufällig vorbeikommenden Vikar gerettet wurde.
    Zurück in meinem Reich mache ich mich an die
Server-Konsole, logge mich ein, und schon kämpfe ich um die
Abteilungsmeisterschaft im Xtank. Fünfzehn Minuten später höre ich Angletons
Klingel; ich stelle das Spiel auf Autopilot und mache mich auf den Weg.
    Angleton blickt mich über den Brillenrand finster an.
»Bringen Sie alles dahin zurück, wo es hingehört, und kommen Sie dann
unverzüglich zu mir. Wir müssen reden.«
    Ich nehme die Wälzer und verlasse rückwärts sein Büro.
Schock-Horror: Er hat mich wahrgenommen!
    Die Türen des Fahrstuhls in die Unterwelt schließen
sich gerade. Schnell schiebe ich einen Fuß dazwischen, sodass sie sich wieder
öffnen. Ich gehe hinein und stehe einer weiblichen Gestalt samt Bücherwagen
gegenüber, die mir den Rücken zuwendet.
    »Danke«, sage ich, drücke auf den Knopf, und wir
machen uns ächzend auf den Weg zum wahrscheinlich tiefsten Punkt in ganz
London.
    »Kein Problem.« Ich traue meinen Ohren kaum. Das ist
doch Dominique mit dem Doktortitel aus Miskatonic: Mo, gestrandet in
Nordamerika ohne Chance, dort wieder wegzukommen. Sie dreht sich um und scheint
ebenso überrascht zu sein wie ich. »Hallo! Was machen Sie denn hier?«
    »Kurz gesagt – man hat mich nach Hause gebracht,
nachdem Sie mich angerufen hatten. Hat ganz den Anschein, als ob die Typen, die
Sie beschattet haben, über mich gestolpert sind. Aber wie ist es Ihnen
ergangen? Ich dachte, Sie durften den Käfig voller Narren nicht verlassen?«
    »Sie machen wohl Scherze?« Sie lacht, ohne amüsiert zu
klingen. »Ich wurde gekidnappt. Als man mich befreit hatte, wurde ich abgeschoben! Und als ich dann hier eintraf …« Ihre Augen werden schmaler.
    Die Lifttür öffnet sich. Wir sind im zweiten
Untergeschoss angelangt. »Wurden Sie rekrutiert«, vervollständige ich den Satz
und schiebe meinen Absatz in die Tür. »Stimmt doch, oder?«
    »Falls Sie da Ihre Hand im Spiel hatten –«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein, wir sitzen fast im
gleichen Boot, das können Sie mir glauben. Etwa zwei Drittel von uns sind auf
diese Weise hier gelandet. Aber hören Sie, mein Obergruppenführer wird seine
SS-Höllenhunde auf mich hetzen,

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