Dämonisches Tattoo
ging.
Was können Sie über den Mord sagen? War es der Schlitzer? Wie lange wird es noch dauern, bis die Polizei dieses Monster endlich erwischt?
Alles schon tausendmal gehört und von Lieutenant Murphy ebenso oft beantwortet. Es gab nur eine Frage, die heute brisanter war als üblich – auch wenn die Reporter das noch nicht wissen konnten:
Was können Sie uns über das Opfer sagen? Wer ist es?
Ohne die Antwort des Lieutenants abzuwarten, eilte Chase an den Reportern vorbei. Da die Meute den Zugang zum Gartentor blockierte, schlug er einen Bogen und hielt auf den Seiteneingang bei der Garageneinfahrt zu.
»Agent Ryan.«
Er unterdrückte einen Fluch und gab vor, die Reporterin nicht gehört zu haben, doch sie hatte sich bereits an seine Fersen geheftet. Mit schnellen Schritten, bei denen ihre hohen Absätze auf dem Asphalt klapperten, schloss sie zu ihm auf.
»Agent Ryan«, sagte sie noch einmal und klang dabei ein wenig außer Atem, was ihm jedoch nur geringe Befriedigung verschaffte. Die kleine Klette war schneller, als er gedacht hatte, und hielt ihm jetzt ihr Diktiergerät unter die Nase. »Ein Statement bitte.«
Von allen Reportern, die er kannte, war sie die größte Plage.
Kate Lombardi arbeitete erst seit ein paar Monaten für die Evening Post, trotzdem hatte er sich ihren Namen gemerkt, was nicht allein an ihrer Gewohnheit lag, sich aufreizend zu kleiden. Heute trug sie hohe schwarze Lederstiefel und einen Rock, der nicht nur für diese Jahreszeit zu kurz war. Darüber hatte sie eine taillierte Jacke angezogen, die ebenso wenig wie der Rest ihrer Kleidung dazu geschaffen schien, die Kälte abzuhalten. Lombardi gehörte zu den Frauen, die so etwas tragen konnten. Chase hingegen gehörte nicht zu den Männern, die sich davon beeinflussen ließen. Vermutlich gab es unter seinen Kollegen und bei der Polizei einige, denen sie in diesem Aufzug, gepaart mit ihrem Lächeln und einem verführerischen Augenaufschlag nicht nur ein Sabbern, sondern auch Informationen entlocken konnte. Chase erinnerte ihr Auftreten jedes Mal daran, dass hinter ihrem Lächeln lediglich Berechnung steckte.
Lombardi war ein Frischling, der vorgab, ein alter Hase zu sein. Das war ihm schnell klar geworden, als sie vor einigen Wochen ein Interview mit ihm geführt hatte. Ihre Fragen waren professionell und präzise, sogar klug und geschickt gewesen, trotzdem war ihm weder das leichte Vibrieren ihrer Stimme entgangen noch die ständige Bewegung ihrer Hände, als wisse sie nicht, was sie damit anstellen sollte. Den meisten wäre das nicht aufgefallen. Chase jedoch, dessen Beruf darin bestand, andere zu beobachten und sich ein umfassendes Bild von ihnen zu machen, war ihre Nervosität nicht verborgen geblieben.
Was sie trotz allem so gefährlich machte, war ihr Talent, die richtigen Fragen zu stellen, und ihr erstaunliches Gespür für den richtigen Augenblick: Sie gehörte jedes Mal zu den ersten Reportern, die am Tatort auftauchten, was ihr regelmäßig die Gelegenheit gab, mit den anwesenden Polizisten zu sprechen, ehe die Meute ihrer Kollegen einfiel.
Für gewöhnlich zog Chase es vor, derjenige zu sein, der ihr Informationen gab, sofern er vor Ort war. So war zumindest sichergestellt, dass sie nicht zu viel erfuhr. Im Augenblick jedoch stand ihm nicht der Sinn danach, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Nicht heute.
Es war der zwölfte Mord in einer außergewöhnlich grausamen Mordserie, die sich nun schon über drei Jahre hinzog, doch dieses Mal hatte der Täter sein Opfer nicht willkürlich ausgewählt. Dieses Mal war es etwas Persönliches.
Chase schob das Diktiergerät zur Seite, das Lombardi noch immer auf ihn gerichtet hielt. Sie lief neben ihm her, bis sie die Absperrung erreichten. Sofort war ein Polizist auf ihrer Höhe.
»Kommen Sie, Ryan«, drängte sie, bevor er sich an den Polizisten wenden konnte. Der Wind zerrte an ihrem schulterlangen Bob und trieb ihr die blonden Locken ins Gesicht. Mit einer unwilligen Geste strich sie sich das Haar zurück. »Lassen Sie mich nicht im Regen stehen. Geben Sie wenigstens einen kurzen Kommentar ab.«
»Sie wissen, dass das gegen die Vorschriften ist.«
»Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, was in ihrer Stadt vor sich geht.«
»Und sie werden es erfahren«, erwiderte Chase. »Von einer Stelle, die offiziell autorisiert ist, diese Informationen an die Öffentlichkeit zu geben.« Er hielt dem Officer seinen Dienstausweis hin. Ein kurzer Blick, dann nickte der
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