Dämonisches Tattoo
Uniformierte und hob das Absperrband. Chase duckte sich darunter hindurch und betrat das Grundstück. Ehe Lombardi auch nur einen Schritt machen konnte, ließ der Polizist das Band wieder fallen und blieb vor ihr stehen; bereit, sie aufzuhalten, falls sie versuchen sollte Chase hinter die Absperrung zu folgen.
»Stimmt es, dass das Opfer die Frau eines FBI-Agenten ist?«, rief sie ihm hinterher.
Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag in den Nacken. Woher wusste sie davon? Weder an der Tür noch am Briefkasten stand ein Name, ebenso wenig warfen die Suchmaschinen im Internet einen Namen aus, wenn man die Adresse eingab. Es sah ganz so aus, als hätte sie bereits Gelegenheit gehabt, mit einem der Polizisten zu sprechen, oder sie hatte eine Unterhaltung mitgehört.
Chase blieb stehen und drehte sich noch einmal zu ihr um. »Verschwinden Sie oder ich lasse Sie entfernen.« Er gab dem Officer, der immer noch neben ihr stand, ein Zeichen. Als dieser nach ihrem Arm griff, um sie wegzuführen, befreite sie sich mit einem Ruck und ging in Richtung ihrer Kollegen davon. Chase wandte sich ab und hielt auf das Haus zu.
Es war einer jener alten viktorianischen Bauten, wie sie in dieser Gegend überall zu finden waren, gelegen in einer ruhigen Nachbarschaft, in der die Menschen einander grüßten und die Kinder in den Vorgärten und auf den Bürgersteigen spielten. Man kannte sich und half einander. Vermutlich sperrte die Hälfte der Leute nicht einmal ihre Haustür ab. Es war die perfekte Vorstadtidylle, in der niemand um seine Sicherheit fürchtete.
Damit dürfte es jetzt vorbei sein.
Er erreichte den rot gepflasterten Weg, der vom Gartentor zum Haus führte, und kam an zwei Männern der Spurensicherung vorbei, die systematisch den Garten durchkämmten. Überall auf dem Grundstück waren Polizisten und Mitarbeiter der Forensik bei der Arbeit, doch nirgendwo war auch nur ein einziger FBI-Agent zu sehen.
Vor ihm erhob sich das Haus mit seiner weiß getäfelten Fassade in den blassblauen Februarhimmel. Der Wind trieb vereinzelte Wolken vor sich her, deren Schatten über das Dach und die Fassade krochen und die Schnitzereien, die die spitzen Giebel zierten, zum Leben erweckten. Vier Stufen führten auf eine überdachte Veranda, über deren Vordach sich ein pittoreskes Türmchen erhob.
Chase lief die Stufen hinauf auf die offene Haustür zu. Für gewöhnlich kam er erst an den Tatort, wenn die Spurensicherung bereits abgezogen war und er sich frei bewegen konnte. Sein Job verlangte nicht einmal, dass er sich die Tatorte überhaupt ansah, den meisten seiner Kollegen genügten die Berichte und Fotos. Chase fiel es jedoch leichter, sich in einen Täter hineinzuversetzen, wenn er vor Ort gewesen war. Dinge zu sehen, die der Täter gesehen hatte, seine Schritte und Bewegungen nachzuvollziehen, half ihm, in die Haut des Gesuchten zu schlüpfen und sich ein besseres Bild von ihm zu machen.
Seit Detective Munarez ihn angerufen und gebeten hatte sofort zu kommen, wusste er, was ihn erwartete. Draußen hatte er sich vielleicht noch einreden können, dass es ein Fall wie jeder andere war, auch wenn ihm das Grimmen in seiner Magengrube etwas anderes sagte. In dem Augenblick jedoch, in dem er das Haus betrat, das ihm von seinen Besuchen beinahe so vertraut war wie sein eigenes Apartment, erfasste ihn ein Gefühl der Beklemmung. Die Realität war dabei, ihn einzuholen, und machte jeden Versuch zunichte, sich einzureden, dass er nur hier war, um seinen Job zu machen.
Im Gang stand ein Beamter der Mordkommission und telefonierte. Als er Chase sah, winkte er ihm kurz zu und deutete in Richtung der Treppe. Chase folgte den knarrenden Holzstufen nach oben. Aus dem Obergeschoss waren Stimmen zu hören, die lauter wurden, je näher er kam, immer wieder durchbrochen vom Auslösen einer Kamera und dem Sirren des Blitzes, der sich nach jedem Foto neu auflud. Am Ende der Treppe angekommen wandte sich Chase nach rechts. Vor dem Schlafzimmer waren Greg Anderson und Anita Munarez, die zuständigen Detectives der Mordkommission, in ein Gespräch vertieft.
»Nirgendwo sonst im Haus sind Spuren zu finden. Er muss also durch das Fenster gekommen sein«, spekulierte Anderson. Er war ein erfahrener Detective, den nur noch wenige Jahre von seiner Pensionierung trennten. Wie sehr ihn dieser Fall beanspruchte, zeigten die tiefen Falten, die sich während der letzten Monate in seine Züge gegraben hatten. Seit drei Jahren leitete er die Suche nach dem, den die
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