Daisy Goodwin
ihnen sprach. Er sah sich
nach Cora um. Sie war die Einzige, die er sehen wollte. Sie war immer überraschend.
Er erinnerte sich daran, wie sie sich die Haare aus den Augen gepustet hatte,
gestern beim Radfahren, daran, wie die Strähne im Luftzug wehte und dann auf
ihrer Wange liegen geblieben war.
Er verließ die Schlange der
Wartenden und ging zu dem Diener in vollständiger Bourbonenlivree, der
Champagner ausschenkte. Er trank sein Glas schnell aus und beobachtete, wie
die Ankommenden durch die großen doppelten Türen strömten. Die meisten Gäste
hatten sich entschlossen, als französische Aristokraten des Anden Regime zu
kommen – er hatte schon drei Marie Antoinettes und unzählige Louis gesehen.
Vielleicht war es eine Höflichkeitsbekundung gegenüber der von Versailles
inspirierten Umgebung; vielleicht war es die einzige Ära, die der Opulenz der
Gegenwart gerecht wurde. Jetzt war er froh über seine puritanische Kleidung. Es
hatte etwas Beunruhigendes, wenn Eisenbahnbarone und Stahlmagnaten die Seidenhosen
und bestickten Fräcke eines anderen goldenen Zeitalters trugen.
Und dann sah er Cora, und sein Unmut
war vergessen. Ihr Kleid war lächerlich; ihr Rock stand zu allen Seiten so weit
ab, dass sie eine Schneise durch den Ballsaal würde schlagen müssen, wenn sie
tanzte, aber selbst in diesem absurden Kostüm sah sie blendend aus. Ihr
rotbraunes Haar ringelte sich auf ihrem weißen Hals und ihren Schultern. Er
dachte an diesen kleinen Schönheitsfleck, der ihm gestern in ihrer Halsmulde
aufgefallen war.
Sie war von jungen Männern umgeben,
und Teddy dämmerte, dass er Cora um einen Tanz würde bitten müssen, sonst
bekäme er nie die Möglichkeit, mit ihr zu sprechen. Er ging auf sie zu, vorbei
an Kardinal Richelieu und einer Marquise de Montespan. Er wartete, dass sich
zwischen den Männern eine Lücke auftat, und fing ihren Blick auf. Sie blinzelte
ein bisschen, um sich zu versichern, dass er es war, und blickte dann wieder
auf ihre Tanzkarte, aber Teddy wusste, sie wartete darauf, dass er näher kam.
Er umrundete ihren Rock und stellte sich hinter sie.
«Bin ich zu
spät?», fragte er leise.
Sie wandte
ihm den Kopf zu und lächelte.
«Viel zu
spät, um einen Tanz zu ergattern. Die sind alle schon seit Ewigkeiten vergeben.
Aber ich vermute, ich muss nach einer Weile Atem schöpfen. Vielleicht ungefähr
hier?» Sie deutete mit dem kleinen Elfenbeinstift auf einen Walzer auf ihrer
Tanzkarte. «Wir könnten uns auf der Terrasse treffen.» Ihre Augen wanderten
kurz dorthin, wo majestätisch ihre Mutter stand. Teddy verstand den Blick –
Cora wollte nicht, dass ihre Mutter sie zusammen sah.
Dachte Mrs. Cash denn, er sei ein
Mitgiftjäger? Er erschauderte, wenn er daran dachte, wie entsetzt seine Mutter
wäre, wenn sie annehmen müsste, dass er Annäherungsversuche bei Cora Cash
machte. Mrs. Van Der Leyden mochte einen Ball besuchen, den Mrs. Cash gab, aber
das bedeutete nicht, dass sie in Cora eine geeignete Ehefrau für ihren Sohn
sah, egal wie reich sie war. Sie hatten nie darüber gesprochen, aber Teddy
spürte, dass seine Mutter seinen Wunsch, nach Europa zu gehen und zu malen, für
das kleinere von zwei Übeln hielt.
Im Wintergarten inspizierte Simmons, der Butler, die Tische.
Über die gesamte Länge jedes einzelnen Tisches verlief ein kleiner Bach, der
mit Hilfe von Pumpen belebt wurde, sodass er glitzernd und sprudelnd
dahinfloss. Das Bett des Baches bildete reiner weißer Sand, in den Bertha
Steine gelegt hatte, die unter Wasser aussehen sollten wie Kiesel. Tatsächlich
war jeder dieser Steine ein ungeschliffener Edelstein – Diamanten, Rubine,
Smaragde und Topase. Neben jedem Gedeck lag eine winzige silberne Schaufel,
mit der die Gäste diese Schätze heben konnten. Bertha war vom Butler angehalten
worden, darauf zu achten, dass die Findlinge gleichmäßig verteilt waren.
Trotz des ungeheuren Reichtums mancher Gäste würde es einen leidenschaftlichen
Wettstreit darum geben, welcher der Goldsucher die meisten
Steine anhäufte. Auf dem Ball der Astors hatte es in der Woche zuvor ein
unziemliches Gedrängel um die Fabergé-Eier gegeben.
Geschmeidig
ließ Bertha so viel Sand auf einen Findling rieseln, dass nur noch eine
glitzernde Ecke zu sehen war. Simmons hatte ihr gesagt, sie dürften nicht zu
leicht zu finden sein. Eigentlich sollte er diese Aufgabe selbst ausführen,
aber Bertha wusste, dass er das für unter seiner Würde hielt. Er hatte ihr
nicht gesagt, was für Steine es waren,
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