Damals hast du mich geliebt
entschied sie.
Ihr Verlobter schlief immerhin mit dem Bräutigam. Wie war das auch nur ansatzweise zu toppen?
Addie stand auf und ging aus dem Zimmer. Chloe blieb noch im Bett liegen, um den nötigen Mut für den Tag zu sammeln, den es zu bewältigen galt. Doch die Müdigkeit nagte an ihr. Und so ließ sie es geschehen, dass ihr die Augen zufielen und ihr Geist ins Niemandsland zwischen echtem Schlaf und zermürbendem Wachzustand driftete.
Sofort war sie wieder in der Bar von letzter Nacht. Sie hatte gelacht und geweint, ihre gesamte Liste von gescheiterten Beziehungen Revue passieren lassen. Dann, gerade als ihr alles am trübsten erschien, war ihr Blick zum anderen Ende der Bar gewandert.
Und da stand er.
Nicht Bryce.
James.
Chloe stöhnte, halb vor Schmerz, halb vor Verlangen. Sie wusste, dass es verrückt war, auch nur von ihm zu träumen.
Er sah so gut aus. Aber das war eigentlich nichts Besonderes. Er hätte selbst als Model arbeiten können, auch wenn er es hasste, das gesagt zu bekommen. Genau genommen hatten sie sich kennengelernt, als Chloe ihn für eins der Männermodels ihrer Show gehalten hatte. Er besaß die seltene Eigenschaft, unverschämt gut auszusehen und dabei eindeutig maskulin zu wirken, wie das bei nur wenigen Männern der Fall war.
Jetzt kam James zu ihr und musterte sie mit dieser Mischung aus Verständnis und Besorgnis, die ihr einen Stich versetzte. Dann streckte er eine seiner perfekten Hände aus und wischte ihre Tränen ab. In einer fürsorglichen Geste schob er seinen attraktiven Körper zwischen sie und die anderen, schuf ihr so einen Rückzugsort, an dem sie sich sicher fühlen konnte. Und das in einem Moment, in dem es ihr so schlecht ging, dass sie wünschte, sie könnte sich einfach in Luft auslösen.
Er roch so gut, wie er es immer tat. Mit einem Zögern, das fast schmerzte, gab er zu, dass er noch immer an sie dachte. Dass er sie vermisste und nur gekommen war, um sich zu versichern, dass es ihr gut ging.
Es war lächerlich.
Das war ihr sogar im Traum klar.
James Elliott war zu stolz, zu stur und zu unabhängig, um zuzugeben, dass er irgendjemanden vermisste.
Doch es war ein herrlicher Traum – bittersüß und schmerzhaft real.
Keine zwanzig Minuten später erwachte Chloe. Noch immer gefangen in ihrem ganz persönlichen Albtraum.
James kämpfte den ganzen Tag dagegen an, doch bei Anbruch der Nacht stand er dann doch auf der Straße gegenüber dem viktorianischen Gebäude nahe dem Prospect Park in Brooklyn. Chloe wohnte dort mit ihren Verwandten, die für sie im Ausstellungsraum des ersten Stocks arbeiteten.
Er starrte zu dem Fenster im Dachgeschoss, das sie zu einer kleinen Wohnung für sich selbst umgebaut hatte und das ihr eine gewisse Privatsphäre bot. Fast kam er sich vor wie ein Stalker, wie er hier stand und lauerte. Natürlich war er nicht der Typ Mann, der Frauen nachstellte. Er musste bloß sicher sein, dass es ihr gut ging.
Was natürlich schwer feststellbar war, wenn er nur ihr Haus anstarrte. Trotzdem fühlte er sich schon etwas besser, weil er in ihrer Nähe war.
Er wartete, bis im Dachgeschoss das letzte Licht erlosch. Und da glaubte er, ihre Silhouette zu erkennen. Wie ein Geist zeichnete sich ihre Gestalt hinter den Vorhängen ab, während sie das Zimmer durchquerte.
Er stellte sich vor, wie sie sich ins Bett legte und ihre kalten Zehen an seinen wärmte. Seine warme Hand an ihrer kalten, blassen Haut. Wie er mit ihrem herrlichen Haar spielte. Viele Nächte hatten sie so gemeinsam in diesem Zimmer verbracht.
Er konnte sie nicht zurückhaben, das durfte er nie vergessen.
Er hatte sie in den Wahnsinn getrieben – und sie ihn.
James dachte so rational wie kaum ein anderer Mann, deshalb war er überzeugt, dass niemand es darauf anlegte, ein zweites Mal so sehr verletzt zu werden.
Als er sicher sein konnte, dass sie in ihrem Bett lag, wandte er sich um, ging nach Hause und schwor sich, nie mehr wiederzukommen.
2. KAPITEL
Als James am nächsten Morgen zum Zeitschriftenkiosk ging, hoffte er, das übliche Boulevard-Geschreibsel über betrunkene Prominente, korrupte Politiker, UFO-Sichtungen und gedopte Baseballspieler vorzufinden.
Doch diese Hoffnung wurde enttäuscht.
Stattdessen war dieses durchgedrehte Model Eloise in Handschellen auf die Titelseiten zurückgekehrt. Sie trug noch das Hochzeitskleid, aber ihre Haare standen in alle Richtungen ab, ihre Wangen waren vom Mascara verschmiert und … Waren da Blutstropfen auf ihrem
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