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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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der Frau Plessen irgendwas Beruhigendes spritzte. Dann dachte sie an die Fernsehsendung und glaubte, sich daran zu erinnern, dass Plessen die Schulmedizin grundsätzlich ablehnte außer im Fall lebensrettender Operationen.
    »Haben Sie irgendeinen Verdacht, wer das getan haben könnte?«, fragte sie, ohne sich viel davon zu erwarten.
    Plessen sah seine Frau Hilfe suchend an. Sie schüttelte den Kopf und schnäuzte sich. Langsam schienen ihre Tränen zu versiegen.
    »Wussten Sie, dass Ihr Sohn regelmäßig Drogen genommen hat?«, versuchte es Fischer, diesmal auf die härtere Tour. »Harte Drogen, verstehen Sie, keine bunten Pillen.« Diesmal schüttelten beide heftig den Kopf, offenbar schockiert. Frau Plessen weinte nicht mehr, aber ihr Gesicht war blass unter der Sonnenbräune, und das leuchtende Blau ihrer Augen schien erloschen zu sein.
    »Heroin«, begann Fischer.
    »Ist schon gut«, unterbrach ihn Mona und seufzte innerlich. »Hans ruf doch mal die anderen an und sag, dass die Konferenz verschoben wird.«

8
    Dienstag, 15.7., 14.03 Uhr
    »Serientäter«, sagte Berghammer, Chef vom Dezernat 11, eine Stunde später. »Darauf läuft’s doch hinaus, oder?« Mit seinen schwerlidrigen Augen sah er sie der Reihe nach an, als hätte er diesen Blick geübt: Schmidt, Forster, Bauer, Fischer, Mona. Jeden Einzelnen.
    »Also, noch wissen wir zu wenig«, sagte Mona. Der Konferenzraum war wie eine Sauna, noch schlimmer als ihr Büro; sie spürte, wie ihr Nacken unter den schweren dunklen Haaren feucht wurde. »Das ist jetzt mal ein einziges Tötungsdelikt, und vielleicht wollte jemand mit dem ganzen – äh – Zeug nur eine falsche Spur legen.«
    »Sollen wir die OFA…?«, fragte Patrick Bauer.
    »Noch nicht«, sagte Mona rasch, und Berghammer stimmte ihr ebenso rasch zu. Die Operative Fallanalyse zur Ermittlung von Serientätern war sein Lieblingskind, da er maßgeblich zur Gründung dieser Abteilung beigetragen hatte, aber ein einziges Tötungsdelikt war noch keine Serientat, auch wenn es den für Serientaten typischen Ritualcharakter hatte. Aber das konnte auch eine Finte sein. Mona dachte an den geplanten Urlaub mit Anton und Lukas in zwei Wochen. Serientaten aufzuklären, das dauerte.
    Schweigen. Zigarettenrauch hing wie Nebel im Raum, weil auch das Konferenzzimmer auf den Hauptbahnhof hinausging und man deshalb die Fenster lieber geschlossen ließ. In dieser Gegend und bei dieser Hitze gab es ohnehin keine frische Luft, sondern nur Gerüche – nach geschmolzenem Teer, Benzindämpfen und Kebab-Buden.
    »Und die Eltern?«, fragte Berghammer schließlich. Sein Gesicht sah rot aus, und er atmete schwer. Er war ein großer, übergewichtiger Mann, sein blaues Hemd spannte über dem Bauch und war unter den Armen schweißnass; das Klima machte ihm sichtlich zu schaffen. Dessen ungeachtet zündete sich Forster die dritte Zigarette an, und niemand sagte etwas: Es gab Gewohnheiten, die sich sozusagen von Natur aus jedem Änderungsversuch widersetzten. Und dazu gehörte, dass es nicht einmal dem Nichtraucher Berghammer geglückt war, wenigstens diesen einen Raum zur rauchfreien Zone zu erklären.
    »Beide Eltern sind völlig am Ende«, sagte Mona. Sie nahm ihre Notizen zu Hilfe, froh, dass es wenigstens etwas gab, an das man sich halten konnte. »Samuel Plessen, genannt Sam. Vorgestern, am Samstag, hat er mit Roswitha Plessen gefrühstückt, keine besonderen Vorkommnisse.«
    »Worüber haben sie gesprochen?«
    »Nichts Wichtiges. Schulkram. Er hat sowieso nie viel erzählt, sagt sie.«
    »Wie war das Verhältnis?«
    »So weit wohl ganz okay, sagt sie. Er hatte seine Freunde, er ist viel ausgegangen, er hat wenig erzählt... Ich meine, das ist in dem Alter ja ganz normal.«
    »Und daran hat sich im Lauf der letzten Wochen nichts verändert?«
    »Nein. Sie hat jedenfalls nichts bemerkt.«
    »Sie wusste nicht mal, dass ihr Sohn drückt«, warf Fischer ein. »Supertolle Mutter.«
    »Genau wie deine«, sagte Berghammer, Vater zweier erwachsener Söhne. »Deiner Mami hast du bestimmt auch immer alles haarklein berichtet, was in deinem Leben so abging. Mit sechzehn. Oder?«
    »Die hätte gemerkt, wenn ich...«
    »So! Woran denn, wenn du ihr was vorlügst? Was du, schätze ich mal, doch wohl getan hättest, im Fall des Falles. Damals mit sechzehn. Oder?«
    Fischer schwieg, fürs Erste matt gesetzt.
    »Die Plessen wusste jedenfalls nichts davon«, fuhr Mona fort, als hätte sie nichts von diesem Geplänkel mitbekommen. »Er auch nicht.

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