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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Mona. Auch die anderen Freunde von Sam waren angeblich noch nie im Babylon gewesen. Das konnte alles Mögliche bedeuten, im Moment half es jedenfalls nicht weiter. Mona beendete die Vernehmung. Es war fast sieben Uhr, und sie hatte leichte Kopfschmerzen.

10
    Dienstag, 15. 7., ca. 20.00 Uhr
    Da die Vernehmungen nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen wenig Verwertbares erbracht hatten, endete der Tag früher als geplant. Fischer ging mit Patrick Bauer, Single wie er, einen trinken. Mona fuhr nach Hause, das hieß in Antons Wohnung. Niemand von ihren Kollegen ahnte, dass ihre offizielle Adresse – ein hässliches Dreizimmer-Loch in der Nähe ihres Arbeitsplatzes – nur noch Alibifunktion hatte. Eine Information, die sich mühelos verheimlichen ließ, weil kein Mensch im Dezernat 11 über sein Privatleben sprach, außer bei Todesfällen oder wenn eine Scheidung ins Haus stand. Das einzige Risiko bestand darin, dass die jahrelangen Ermittlungen gegen Antons unkonventionelle Exporttätigkeiten doch einmal zum Erfolg führen würden – und Mona hatte sich vorgenommen, sich mit dieser Problematik erst dann zu beschäftigen, wenn es so weit wäre. Sie konnte nur hoffen, dass Lukas zu diesem Zeitpunkt alt genug sein würde, um ohne seinen Vater klarzukommen. Um die Folgen für sich und ihre Karriere machte Mona sich dagegen keine Gedanken mehr. Im Fall des Falles konnte sie immer behaupten, von nichts eine Ahnung gehabt zu haben, und kein Mensch würde im Stande sein, das Gegenteil zu beweisen. (Mona glaubte nicht wirklich daran, aber es half, sich das immer wieder einzureden)
    Draußen war es noch hell, als sie vor dem fünfstöckigen Altbau parkte, den Anton vor Jahren gekauft hatte – billig, weil der Eigentümer fast pleite war; die Lage zwar zentral, aber das Haus völlig heruntergekommen. Die Mietwohnungen hatte er renovieren und sich selbst den Dachstuhl als prachtvolle Maisonette ausbauen lassen – mit verglastem Lift an der Wand zum Innenhof, der direkt vor seiner zweiten Wohnungstür hielt. Mona fuhr nicht gern mit diesem Lift, von dem sie mittlerweile mutmaßte, dass Anton für die Genehmigung irgendwen aus dem Landesbauamt hatte schmieren lassen, aber es war immer noch so warm und sie so erschöpft, dass sie keine Lust hatte, Treppen zu steigen.
    Sie lehnte sich an die Wand des Lifts und gähnte, den Kopf zurückgelegt. Durch die Verglasung konnte man den Himmel sehen; er hatte mittlerweile einen leichten rostroten Schimmer. Oben angekommen wäre sie am liebsten ein zweites Mal gefahren, so müde war sie. Aber stattdessen stieß sie sich von der Wand ab, zückte den Wohnungsschlüssel und sperrte auf.
    »Hi, Mam«, sagte Lukas, an einem Donut kauend, die Beine auf dem Esstisch, als sie in die Küche kam und ihre Tasche achtlos auf der Arbeitsplatte ablegte. »Pap ist noch unterwegs«, fügte er hastig hinzu, als müsste er sich verteidigen. Und in gewisser Weise war es auch so.
    »Was? Hat er dich etwa hier allein gelassen?« Mona spürte, wie ihr die Stimme entglitt, sich viel zu hoch schraubte, um dann wieder steil abzufallen. Sie versuchte, ruhig zu atmen.
    Es kam die Antwort, die sie erwartet hatte: »Na und? Macht doch nichts!«
    »Herrgott.«
    »Ist doch egal«, erklärte Lukas abschließend und beinahe väterlich autoritär. »Bin ja kein Baby mehr.«
    Mona sagte nichts darauf. Noch vor einer Minute hatte sie Hunger gehabt, jetzt fühlte sich ihr Magen an, als hätte sie drei Currywürste und zwei Stück Sahnetorte verdrückt. Sie nahm sich einen Stuhl und setzte sich Lukas gegenüber. »Wie lange ist er schon weg? Und sei ehrlich!«
    »Fünf Minuten«, sagte Lukas grinsend.
    »Von wegen. Dieser Idiot.«
    »Pap ist kein Idiot«, rief Lukas entrüstet. Er nahm seine Beine vom Tisch und funkelte seine Mutter an.
    »Okay«, sagte Mona müde. »Also wie lange?«
    »Fünf Minuten. Hab ich doch gesa-agt!«
    Im letzten halben Jahr war Lukas sehr schnell gewachsen. Er überragte seine Mutter jetzt um mindestens vier Zentimeter und würde bald so groß wie sein Vater sein. Er war sehr dünn, hatte einige ziemlich auffällige rote Pickel im Gesicht und trug weite Hosen, die ihm bis auf die Hüfte rutschten und die Mona idiotisch und unpraktisch fand – was ihm ziemlich egal war und ihr zeigte, wie sie Stück für Stück ihren Einfluss auf ihn verlor. Aber wenigstens schienen die Depressionen, die ihn noch vor einem Jahr gequält hatten, vorüber zu sein. Er brauchte keine Medikamente mehr, und darüber

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