Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Misere ist total, und noch im Jahre 2004 gibt es in der arabischen Öffentlichkeit keinen Platz für Kritik, Niederlagen und Epidemien. Die Zeit aber lässt das nicht unbestraft: Ägypten, Syrien, Algerien und der Irak sanken in den letzten zwanzig Jahren unaufhaltsam immer tiefer im kulturellen Leben. Heute haben Marokko, Jordanien und sogar Katar bessereMedien und höhere Bücherproduktionen als diese ehemaligen Hochburgen der »Aufklärung«. Die Herrscher dieser Länder erstickten jahrzehntelang die Stimmen mit der Parole »Keine Stimme erhebt sich über die der Schlacht mit Israel«.
Manchmal schlägt die Zensur Kapriolen. In Jordanien herrscht zurzeit eine milde Zensur, die Autoren können dort verhältnismäßig frei schreiben. Die Zensur verbot trotzdem im Jahre 2002 den Roman Schagari A’la des jordanischen Schriftstellers Musa Hawamde, obwohl das Gericht in Amman ihm das Recht auf Veröffentlichung zusprach. Die Zensur versuchte bis Anfang 2003 fünfmal, das Urteil anzufechten, sie verlor fünfmal – und verbot den Roman trotzdem. Hawamde bemerkte dazu: »Die arabischen Regime sind in allen Punkten zerstritten, nur nicht in der Zensur und Verachtung der Meinungsfreiheit.«
In Syrien versuchte ein Chefredakteur, die zensierten Seiten leer zu lassen. Am nächsten Tag wurde er verhaftet, weil er mit den blanken Seiten angeblich den Eindruck erwecke, dass in Damaskus zensiert werde, was ja israelische Propaganda sei, und insofern diene der Journalist dem Feind. Man könnte über so viel Dummheit lachen, aber man kann es nicht, weil hinter einer derart stupiden Anschuldigung lange Gefängnisstrafe oder vielleicht der Tod lauert.
Buchmarkt
Ein miserables Bild bietet sich auf dem arabischen Buchmarkt. Er existiert als solcher nicht. Das ist auch eine Art Zensur. Um einen saudi-arabischen Dichter kennen zu lernen, ist es nicht selten erforderlich, sein Buch über London oder Paris zu beziehen.
Jede deutsche Vertriebsleiterin, jeder deutsche Vertriebsleiter würde in Arabien nach drei Tagen mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus liegen. Nicht nur dass die Verlage am helllichten Tag erfolgreiche Titel und Übersetzungen klauen, die Bücher werden nicht gepflegt. Nicht selten werden in einem Roman drei Sorten Papier verwendet, die mit Metallklammern geheftet oder unzulänglich geklebt sind. Einmal durchgelesen, muss man oft die einzelnen Seiten vom Boden zusammensammeln.
Nicht so bei den von Saudi-Arabien finanzierten grässlichen Büchern, die in der Regel Christen und Juden beschimpfen und auf offener Straße in allen arabischen Ländern verkauft werden. Sie sind auf Glanzpapier gedruckt und ledergebunden.
Es gibt in ganz Arabien keinen einzigen Vertrieb, der Bücher zuverlässig ausliefern kann. Die Post ist eine Katastrophe geworden. Sie war es nicht immer. Erst als die Diktaturen die Bürger erniedrigt haben, verloren auch die Postbeamten jeden Respekt vor dem intimen Charakter einer Postsendung. Ich habe seit Jahren alle dicken Briefe verloren, die mir von Arabien gesandt wurden – allerdings enthielten sie nur Fotos. Päckchen mit wertvollem Inhalt kann man der Post nicht mehr anvertrauen.
In dieser Atmosphäre gedeiht ein anderes Lesen, ein Lesen, das eher verdunkelt, das über Geister und Zauber, über Glück und Glücksspiele informiert. Bücher, die versprechen, dass man von weniger Lesen mehr hat: Französisch in drei Tagen , Muskeln in vier Tagen, Wie Frauen Männerherzen erobern in einem Tag, Die wichtigsten Prüfungsfragen der Mathematik, Chemie und Physik . Auch antisemitische Bücher und simple Erklärungen der Welt in aller Kürze erlaubt der Zensor.
Auch die Buchmessen mutieren in der Hand arabischerDiktatoren zur Farce. Kritische Autoren und Verlage sprechen nicht von arabischen Buchmessen, sondern von den »Messen der erlaubten Bücher«, denn, ob in Kairo, Damaskus, Kuwait oder Amman, die Bücher müssen, bevor sie zum Verlagsstand kommen, zum Zensor, und dieser kann, ohne mit der Wimper zu zucken, innerhalb von drei Tagen 1200 Bücher als gefährlich erkennen und verbieten. Er ist kein Lesewunder, sondern er verfügt über schwarze Listen von Autoren, Verlagen und verbotenen Themen.
Ich stehe auf allen schwarzen Listen, und dies ist der höchste arabische Literaturpreis, den ich erhalten habe.
Alle Gespräche mit mir über Übersetzungen meiner Werke ins Arabische enden schnell. Da ich die Rechte auf meine Muttersprache für all meine Bücher behalte, müssen die arabischen
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