Damon Knight's Collection 08 (FO15)
Diner am Dienstag, und fast alle werden da sein.“
Miss Bushnan zögerte einen Moment und warf dem Papst, der jenseits des Gesichtskreises des Videogeräts saß, einen hilfesuchenden Blick zu. Er verzog keine Miene.
„Schätzchen, ich will Sie in ein Geheimnis einweihen. Ich habe zwar Schweigen versprochen, aber Ihnen gegenüber gilt ein Eid nicht. Der französische Delegierte hat mich gebeten, Sie einzuladen. Ich hätte Sie in keinem Fall übergangen, aber er setzte sich für Sie ein. Er ist so schüchtern – und ich versprach, Sie neben ihn zu plazieren, wenn Sie kommen. Verraten Sie mich aber nicht, ja?“
„Ich komme natürlich sehr gern.“
„Abgemacht also.“ Das verschwörerische Lächeln der Russin deutete an, daß die Frauen doch zusammenhielten und sie die Amerikanerin besonders ins Herz geschlossen hatte.
„Am Dienstag? Dem Tag nach der letzten Abstimmung?“
„Ja, am Dienstag, und ich freue mich darauf.“
Als der Bildschirm dunkel wurde, wandte sich Miss Bushnan an den Papst: „Irgend etwas liegt in der Luft.“
Der Papst betrachtete sie abwägend, als überlege er, was hinter diesem hübschen, wenn auch nicht faszinierenden Gesicht und den braunen Augen vorgehen mochte.
Nach einer kurzen Pause fuhr Miss Bushnan fort: „Der französische Delegierte würde zwar mit mir ausgehen, aber mich normalerweise nicht als Tischdame zu einem offiziellen Bankett einladen lassen, und diese Russin hat mich seit Konferenzbeginn völlig ignoriert. Was wird gespielt?“
„Tja“, sagte der Papst bedächtig, „das hat schon seinen Grund. Offensichtlich haben Sie noch nicht davon gehört?“
„Nein.“
„Ich hatte mehr Glück. Der portugiesische Delegierte zieht mich manchmal ins Vertrauen.“
„Werden Sie es mir verraten?“
„Deshalb bin ich hergekommen. Die Delegierten haben sich heute nachmittag nach der öffentlichen Sitzung zusammengesetzt und beschlossen, bei der Schlußabstimmung auch uns um unsere Meinung zu fragen.“
„Uns?“ Miss Bushnan war verblüfft. „Uns Beobachter?“
„Ja. Unsere Stimmen werden zwar offiziell nicht zählen und haben keine Beschluß kraft, aber sie wollen Einstimmigkeit erzielen – und das soll in den Protokollen erscheinen.“
„Ich verstehe“, sagte Miss Bushnan.
„Kirche und Caritas. Die Menschen haben den Glauben an uns verloren und ihn statt dessen in die Regierungen gesetzt, aber auch dort fühlen sie sich enttäuscht, und das spüren die Delegierten. Vielleicht wendet sich der Glaube uns nicht wieder zu, aber eine Möglichkeit dazu besteht.“
„Und deshalb bemüht man sich um mich, deshalb das Bankett.“
Der Papst nickte. „Sie werden sicher noch mehr hofiert werden. Die Franzosen machen sich für die Lösung besonders stark, da ihr Strafvollzugssystem seit dem Verlust ihrer afrikanischen Kolonien vor über fünfzig Jahren in größte Unordnung geraten ist.“
Miss Bushnan starrte nachdenklich auf ihren Schoß und zupfte abwesend den Rock über den Knien glatt, dann schaute sie plötzlich auf und ihm direkt in die Augen. „Und Sie? Was haben sie Ihnen für Angebote gemacht?“
„Nicht die verlorenen Güter in Osteuropa, das versichere ich Ihnen. Das meiste, fürchte ich, war Schmeichelei.“
„Und wenn wir opponieren?“
„Wenn wir opponieren, werden wir Maßstäbe setzen, die die Millionen, die die Vorschläge jetzt schon ablehnen, und die weiteren Millionen, die aufbegehren werden, wenn sie das System in der Praxis erleben, zum Anlaß nehmen werden, Sturm zu laufen.“
„Mein Mann – mein früherer Ehemann eigentlich – ist im Gefängnis. Wußten Sie das, Eure Heiligkeit?“
„Nein, natürlich nicht. Wäre es mir bekannt gewesen …“
„Wir wollen wieder heiraten, wenn er entlassen wird, und ich weiß von meinen Besuchen bei ihm, was die Alternative zu der Abstimmung wäre. Wir wissen, wie es jetzt gehandhabt wird, also dreht es sich nicht darum, aus einem Paradies gerissen zu werden.“
Plötzlich stand Sal wieder neben ihr. „Telefon, Miss Bushnan.“
Das Mondgesicht der amerikanischen Delegierten füllte den Bildschirm aus. „Miss – äh – Bushnan?“
Sie nickte.
„Sie zu sehen, ist ein Vergnügen, das ich schon viel zu lange habe aufschieben müssen.“
Um die Vorreden abzukürzen, sagte sie: „Ich habe von dem Beschluß vernommen, auch die Beobachter abstimmen zu lassen.“
„Gut, gut.“ Der Amerikaner trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch und wich offensichtlich ihrem direkten Blick aus.
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