Damon Knight's Collection 10 (FO 19)
lästige Morgennebel.
Nein, doch nicht. Es kam etwas anderes den Schlot oder den verborgenen Himmel herunter: Kiesel, Steine, unbeschreibliche Brocken fauligen Schlicks, die häßlicheren Bestandteile des Himmels; ein leichter Alptraumregen hatte dort eingesetzt; der Schlot begann offensichtlich einzustürzen.
„Das ist die verrückteste Sache, die mir je unter die Augen gekommen ist“, knurrte Robert Derby. „Glaubt ihr, daß Magdalen wirklich mit Anteros wegging?“ Derby war an diesem Morgen grimmig und aufbrausend, und sein Gesicht zeigte wilde Kratzspuren.
„Wer ist Magdalen? Wer ist Anteros?“ fragte Ethyl Burdock.
Terrence Burdock stieß an der Hügelkuppe einen wilden Schrei aus. „Alle herkommen!“ rief er. „Hier ist ein Fund, der unsere Strapazen belohnt. Wir müssen knipsen, skizzieren, messen, aufzeichnen, die genaue Stelle festhalten. Das ist der schönste Basaltkopf, den ich je gesehen habe, in natürlicher Größe, und ich habe den Verdacht, daß unter der Erde noch der Körper steckt. Wir werden ihn bald freilegen. Gah! Ein unheimlicher Bursche!“
Aber Howard Steinleser hielt ein leuchtend gefärbtes Etwas in beiden Händen und studierte es.
„Was ist denn, Howard? Was machst du da?“ fragte Derby. „Ah, ich glaube, das ist der nächste Stein in der Reihe. Die Schrift ist alphabetisch, aber verzerrt, es fehlt ein Element. Ich glaube, es ist modernes Englisch; ich werde den Fehler gleich finden. Der Text scheint –“
Felsbrocken und Steine kamen den Schlot herunter, und Nebel, ein Nebel, der den Verstand und die Erinnerung nahm. „Steinleser, fehlt dir nichts?“ fragte Robert Derby mitleidig. „Das Ding, das du in der Hand hältst, ist kein Stein.“
„Es ist kein Stein. Ich dachte, es sei einer. Was ist es dann?“
„Eine Osage-Orange. Es ist kein Stein, Howard.“ Und das Ding war eine zähe, holzige, runzlige Wildorange, so groß wie eine junge Melone.
„Du mußt zugeben, daß die Runzeln ein wenig Ähnlichkeit mit Schriftzeichen haben, Robert.“
„Ja, sie sehen ein wenig wie Schriftzeichen aus, Howard. Gehen wir hinauf! Terrence brüllt sich die Lunge aus dem Leib. Du hast zu viele Steine gelesen. Außerdem ist es hier nicht sicher.“
„Wozu hinaufgehen, Howard? Das andere Ding kommt herunter.“
Es war die wildschweinborstige Erde, die sich mit einem Grollen aufbäumte. Es war der Blitz, der aus der Erde nach oben jagte, und er holte sich seine Beute. Ein Donnern und Dröhnen wurde laut. Der dunkle Abschlußstein löste sich vom Schlot und schlug mit entsetzlicher Wucht zu Boden, zerschellte mit einem großen Knall. Dazu etwas anderes, das der Stein enthalten hatte. Und um sie brach der ganze Schlot zusammen.
Sie wurde von der Begegnung zerbrochen. Sie wurde zerschmettert, jeder Knochen und jedes Gelenk. Und sie war tot.
„Wer – wer ist sie?“ stammelte Howard Steinleser.
„Oh Gott! Magdalen natürlich!“ rief Robert Derby.
„Ich kann mich schwach an sie entsinnen. Verstand sie nie so recht. Sie wirkte wie ein Mauerblümchen, überreif zum Pflücken, ließ sich aber nicht anrühren. Zerfleischte mir kürzlich fast das Gesicht, als ich die Zeichen falsch deutete. Sie glaubte, daß es eine Himmelsbrücke gäbe. Davon ist in vielen Mythologien die Rede. Aber es gibt natürlich keine. Na ja.“
„Das Mädchen ist tot! Verdammt! Was wühlst du in diesen Steinen?“
„Vielleicht ist sie in ihnen noch nicht tot, Robert. Ich will sie lesen, bevor etwas mit ihnen geschieht. Dieser Abschlußstein, der herabstürzte und zerbrach, es ist einfach unmöglich. Es ist eine Schicht, die es noch nicht gibt. Ich wollte schon immer die Zukunft lesen und bekomme vielleicht nie wieder die Gelegenheit dazu.“
„Narr! Das Mädchen ist tot! Kümmert das denn keinen? Terrence, hör das Geschrei um deinen Fund auf! Komm herunter! Das Mädchen ist tot!“
„Robert, Howard, beeilt euch!“ beharrte Terrence. „Laßt das zerbrochene Zeug da unten. Es ist wertlos. Aber ein Ding wie das hier hat noch kein Mensch gesehen.“
„Beeilt euch, Männer!“ jubelte Ethyl. „Oh, es ist ein herrliches Stück. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so etwas gesehen.“
„Ethyl, ist denn an diesem Morgen alles wahnsinnig?“ fragte Robert Derby, als er zu ihr hinaufstieg. „Sie ist tot. Kannst du dich wirklich nicht an sie erinnern? Erinnerst du dich nicht an Magdalen?“
„Ich weiß nicht recht. Ist sie das Mädchen dort unten? Das gleiche Mädchen, das schon seit
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