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Damon Knight's Collection 11 (FO 29)

Damon Knight's Collection 11 (FO 29)

Titel: Damon Knight's Collection 11 (FO 29) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon (Hrsg.) Knight
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ihm.
    Zuhause standen für sie die Dinge offensichtlich schlecht. In ihren Briefen hatte sie ihm geschrieben, was vor sich ging. Sie konnte dieser Situation nicht entfliehen; sie würde ihn verlassen und zu einer Person zurückkehren, die verletzt sein würde, eine Person, deren Leben durch ihre Liebe bedroht war – eine Liebe, die unschuldig und unvermeidlich schien. In jener ersten Nacht, als sie sich plötzlich zusammen im Bett fanden, als sie wenige Stunden zuvor nicht viel mehr als freundliche Fremde waren; schien alles ganz richtig gewesen zu sein. Sie beide wußten, daß das Leben von jetzt an schwierig werden würde, und dennoch wollten sie es. Er stand auf und starrte durch das Fenster. Der. Wagen parkte immer noch dort, und sie war nicht in Sicht. Er setzte sich wieder. Aber wieviel Streß konnte man ertragen? Wieviel würde jener Mann ertragen können? Er durchschaute die Situation, aber wie lange würde es dauern, bis seine Kontrolle aussetzen würde und er nichts anderes mehr in seinem Kopf hätte als den Drang, zu zerstören? Wie würde er darauf reagieren? Wie sollte er ernsthaft versuchen, einen Mann physisch zu verletzen, den er bereits so oft verletzt hatte? Er stand auf und schaute wieder durch das Fenster. Plötzlich fand er es unmöglich, länger in dem Pub zu warten. Er ging kurz entschlossen durch die Türe, hinaus in die Kälte. Der parkende Wagen gehörte nicht ihr. Es war beinahe halbeins. Er überquerte die Straße und ging zur Busstation zurück. Er setzte sich auf eine Bank, mit dem Rücken zur Straße. In seiner Tasche war ein Buch, und er nahm es heraus. Es war sehr kalt. Er begann zu lesen.
    Die Sonne hat den Punkt überschritten, an dem sie direkt in die Zelle schien. Jetzt kriechen dunkle Schatten über den Boden, und es wird kälter. Der Gefangene erhebt sich vom Boden und legt sich auf seine Pritsche und hält die Fotografie über sich. Zur Zeit, als das Foto aufgenommen wurde, hatten sie gerade zwei Tage in einem Zimmer eines Hotels in London verbracht, hatten sich fast ununterbrochen geliebt und das Zimmer nur verlassen, um Essen zu holen. Es war ein ziemlich billiges Hotel gewesen, und das Zimmer sah anfangs sehr kahl aus. Aber innerhalb von zwei Stunden hatte es sich in einen Juwelenpalast verwandelt. Die rote Bettdecke nahm das mystische Leuchten einer Robe auf einem flämischen Gemälde an. Als sie das Hotel verlassen hatten, waren sie in den Hollandpark gegangen, brannten darauf, sich erneut zu lieben, voll unersättlicher Lust, eine Erfahrung zu wiederholen, zu schön, um wiederholbar zu sein. Er fühlte sich leicht überrascht, daß die Haut ihres Gesichtes und ihres Halses keine Zeichen seiner Liebe zeigte. Er fühlte, daß seine Hände, seine Lippen und seine Zunge auf ihrer Haut hätten sichtbare Spuren hinterlassen sollen, um zu zeigen, daß diese Frau geliebt wurde. Lag nicht Zärtlichkeit in ihren Augen, ein Zittern auf ihren Lippen? Aber vielleicht bildete er sich so etwas nur ein.
    Er hielt das Foto dicht vor seine Augen, so daß er das Korn sehen konnte und den leichten Flaum von Haaren. Jetzt wurde er sich der Fotografie als einer bloßen Erinnerung bewußt. Ein Stück Papier, das zu jenem Zeitpunkt nicht einmal existiert hatte. Festgehaltene Lichtspuren, die sie damals in die Kameralinse reflektiert hatte. Dieser Kontakt mit ihr war so nebulös, und dennoch hielt dieses Foto die Ereignisse irgendwie fest, gab ihnen eine konkrete Realität, als ob sie zu einem bestimmten Zeitpunkt oder einem bestimmten Ort im Hollandpark zusammen gewesen wären, sie vor ihm, sich entschuldigend für ihre Müdigkeit und das Durcheinander ihrer Haare, als ob sie sagte: ‚Wenn man gerade aus dem Bett kommt, ist es nicht sehr günstig, ein Foto von mir zu machen’, dann aber still zur Seite schauend, und der Verschluß öffnet sich, langsam, noch langsamer, um dann weit geöffnet innezuhalten und diese „Zeit“ festzuhalten, ein empfindliches Material, das durch die Kamera läuft, aufgespult, angehalten und herausgenommen werden kann.
    Ihre Liebesaffäre war jetzt wie das Stück einer Skulptur, ein Objekt, das eindeutig an einem Punkt beginnt und an einem anderen endet, das aber auch als alleinstehendes Objekt im Raum betrachtet werden kann, das von nahem angesehen werden kann, in allen seinen Details, das von verschiedenen Gesichtswinkeln aus untersucht, berührt, umarmt, beweint werden kann.
    Das letzte Mal im Hotel war sehr gut, so gut, daß er sich jetzt an nichts anderes

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