Die Wanderbibel
Einstieg in den Aufstieg
Wandern immer und überall
»Die Wanderbibel«, das muss wohl ein Ratgeber für Pilger sein? Falsch! Die Autoren geloben, dass in diesem Buch die Worte »Pilgern« und »Jakobsweg« so gut wie nicht vorkommen. Ehrenwort!
In den vergangenen Jahren haben zwei Wanderkollegen aus der Humorbranche das Bild vom Wandern geprägt. Sie waren dann mal weg und Wandern war ein Muss. Dadurch ist ein völlig falsches Bild vom Wandern entstanden, wie die beiden Wanderer mit Leib und Seele, Matthias Kehle und Mario Ludwig, meinen. Der deutsche Wanderer flaniert nämlich nicht wie Manuel Andrack nur durch die Mittelgebirge der Nation oder sucht den Sinn des Lebens auf einem Jakobsweg wie Hape Kerkeling. Der deutsche Wanderer wandert immer und überall. Auf den Gipfeln der Alpen, in den Wäldern des Harz oder der Pfalz, er wandert in den Städten, er wandert im Sommer, er wandert im Winter, er wandert in Europa, er wandert in Südafrika. Er wandert undogmatisch oder mit heiligem Ernst, er wandert mal lustvoll, mal sportlich, mal in der Senkrechten, mal in der Horizontalen, mal mit Fünf-Gänge-Menü inklusive, mal mit Butterstulle im Rucksack.
Kehle und Ludwig beweisen: Nichts ist vielfältiger als das Wandern. Und nichts ist komischer! Unser Autorenduo untersucht etwa, wie viel Masse ein Massenlager verträgt, und es wandert feiertags in einem völlig verlasse nen Industriegebiet. Mit reichlich Humor erzählen sie, was passiert, wenn ganze italienische Schulklassen auf einem Dreitausender im Engadin einfallen, beobachten Nackt wanderer und besuchen einen kleinen Horrorladen, den Outdoor-Shop. Meist politisch völlig unkorrekt entstauben die beiden jede Hüttenromantik. Wer nach der Lektüre dieser Bibel nicht schmunzelnd seiner Wege geht, ist wirklich unverbesserlich!
Übrigens haben Mario Ludwig und Matthias Kehle jeweils eine Ehefrau. Ursprünglich sollten Anja und Katharina zu einer einzigen Wandergattin namens »Heidi« fusionieren. Doch Kehle und Ludwig kamen überein, dass die Gattinnen in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit in der »Wanderbibel« auftauchen sollen.
Übrigens: Verschiedener als Mario Ludwig und Matthias Kehle können Wanderer gar nicht sein. Ludwig ist der sportliche Asket und Kehle der sinnenfrohe Lustwandler. Oder ist es umgekehrt?
1 Gucci versus Schöffel
Die Kleiderordnung im Gebirge
Wer seinen Wanderurlaub in den Dolomiten verbringt, etwa auf der Hochebene der Seiser Alm, im Gebiet um Cortina d’Ampezzo oder in Rheinhold Messners Heimat, dem schönen Grödnertal, wird nach wenigen Tagen feststellen, dass zwischen italienischen und deutschen Wanderfreunden, vorsichtig formuliert, gravierende Unterschiede bestehen. Zwischen dem deutschen und dem italienischen Wanderer lassen sich nämlich schon rein äußerlich kaum Gemeinsamkeiten feststellen.
Betrachtet man den italienischen Wandersmann, kommen einem Zweifel, ob er überhaupt weiß, auf was er sich da auf fremdem Terrain eingelassen hat. Geht unser Bergfreund aus Roma, Milano oder Torino doch im Regelfall ähnlich gewandet in die Berge wie ein deutscher Beamter (gehobener Dienst) zu einem Grillabend bei seinem Vorgesetzten – nur deutlich eleganter: Gucci-Slipper mit extradünner Sohle, leichte, beigefarbene Leinenhose und wahlweise altrosa Poloshirt oder aber blau-weiß gestreiftes Designerhemd mit Haifischkragen. Selbstverständlich sind die Socken farblich auf das Polohemd abgestimmt. Gegen einen Temperatursturz ist keinerlei kleidungstechnische Sicherung zu erkennen, sieht man einmal davon ab, dass sich einige der italienischen Alpinisten einen Missoni-Pullover über die Schulter geworfen haben. Aber auch andere bergtypische Kleidungsstücke oder Accessoires sind beim italienischen Bergfreund nicht zu entdecken: Festes Schuhwerk oder gar Bergstiefel – Fehlanzeige! Regenschutz – Fehlanzeige! Ruck sack … dito.
Der deutsche Wanderer hat dagegen eine Mission zu er füllen. Und um sein Ziel zu erreichen, überlässt er ausrüs tungstechnisch nichts dem Zufall. Gilt es doch, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Was der deutsche Wanderer bei bestem Wetter während einer Tagestour auf den Gipfel eines Dolomiten-Zweieinhalbtausender mitschleppt, würde auch den Anforderungen eines Anden-Sechstausenders genügen – bei schlechten Bedingungen versteht sich. Betrachtet man den deutschen Bergfreund von der Sohle bis zum Scheitel, fallen einem meist zuerst die Wan der- beziehungsweise Bergstiefel auf. Ein moderner
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