Damon Knights Collection 11
und sie fand, daß er nett aussah, weil er früher nie gelächelt hatte. Er war auch nicht so dick wie sonst und hatte keinen Stock. Außer er lag drauf. Wenn sie nicht aufpaßte, hatte er die Krücke immer um ihren Hals gehakt und sie so gefangen. Ihre Mutter meinte, daß er das auch bei ihr gemacht hätte, als sie ein kleines Mädchen war. Mit solchen Dingen müßte man sich abfinden. Emma küßte ihn auf die Wange. Sie war hart wie bei einer Puppe.
Sie fuhren mit einem Auto zu den Klippen, zwanzig Meilen, und als sie ankamen, herrschte ein unheimlicher Wind, so daß die Trauerschleifen beinahe weggeblasen wurden. Hier draußen waren nicht so viele Menschen, weil man mit dem Benzin sparen mußte. Jesuitenbischof C. S. Marchesini. Die Stadtväter und der Erzbischof. Und natürlich alle Verwandten – Emma und ihre Mutter, Kusine Bridie mit Florence, ihrer Ältesten, die Almraths von Dublin und die Smiths von Cork. Die alte Mrs. Almrath war Emmas Großtante, und schickte ihr jedes Jahr zu Weihnachten ein frommes Bild, das vom Papst geweint war. Sie hatte zwei von Innozenz, eine Muttergottes und ein Herz Jesu, und einen Heiligen Petrus von Leo.
Sie senkten den Sarg mit Granny in die Grube und deckten Erde darüber. Mister Smith sagte: „Er war ein großer Mann, ein ganz großer Mann. Männer wie ihn gibt es heute nicht mehr.“ Ihre Mutter hatte den Arm um Kusine Bridies Taille geschlungen, und Kusine Bridie weinte. Die Anckers bekamen nichts von dem Geld, und deshalb war der Streit eigentlich entstanden. Bridie meinte, ihr sei es gleich, aber Leonard entgegnete, ihm absolut nicht. Er habe sich nicht all die Jahre die Mucken des Alten gefallen lassen, um jetzt als der Dumme dazustehen. Ihre Mutter sagte, Leonard könne nicht mal eine Partie Dame mit Anstand verlieren, das wisse jeder. Bridie und die Kleinen täten ihr leid, aber Bridie habe ihre Entscheidung vor vier Jahren getroffen, und sie hätte sie damals gewarnt.
Zuletzt versammelten sich alle um den Gedenkstein, um ihn zu bewundern und ein schönes Plätzchen für ihre zellophanverpackten Blumen zu suchen. Der Stein war drei Meter hoch und ganz breit, und es standen Hunderte von Großbuchstaben drauf.
Es war dunkel, und Emma machte das Gespenst. Sie wußte nicht, ob sie laufen durfte, wenn sie ihre Zeit hatte, aber sie lief trotzdem. Entlang der Cattleyas, die hinter ihrem Luftvorhang leuchteten – niemand. Sie sah hinauf zu dem Holo-Bild, wo die Krieger des alten Rom ihren ewigen Triumph feierten. Natürlich konnten sie sich dort nicht verstecken. Es war eine Spiegelung, etwas mit Lichtwellen; sie hatte vergessen, wie es zusammenhing. Sie stieß einen schaurigen Laut aus – huuh! Keiner antwortete. Vielleicht waren sie heimge gangen. Sie kehrte um, blieb allein im Schatten der Lu ke stehen. Unten und oben ordneten sich Hampstead und der Himmel zu geometrischen Mustern weißen Lichts. Jeder kleine Stern war eine Sonne, weit weg und heiß. Sie hatte sie aufbrechen gesehen, in Dingern wie Mu scheln, obwohl sie damals nicht verstanden hatte, wohin sie wollten. Nach Tau Ceti. Alle die Sterne ha ben fremde Namen, und die Planeten sind römische Götter. Ihr eigener Name war fremdländisch.
So viele Sprachen – man konnte niemals alle lernen.
Die Rampe hinauf bis ganz nach oben, vorbei an eingetopften Palmen, die im Lampenschein grau wirkten. Im Torbogen waren keine Lichter. Sie machte huuh, diesmal ganz leise. Mädchen haben nachts mehr zu fürchten als Jungen. Die dünnen Pseudopfeiler stiegen in die Dunkelheit des Gewölbes auf. Ihre Kleider unter dem Wettermantel waren schweißnaß. Die neueren Stoffe waren porös, wie die Haut, aber ließen sie da nicht auch die Wärme raus? Die echte Lösung wäre es, irgendwo zu leben, wo es auch im Winter warm war. Malaga. Hollywood. Karthago. Sich in der Sonne aalen. Im warmen Salzwasser schwimmen, allerdings nicht, wenn man seine Zeit hatte. Haie können Blut riechen.
Gefährliche Träumereien. Auch wenn sie keine Sünde waren, so gehörten sie doch zu den schlechten Gewohnheiten.
Vier Sterne bildeten ein Viereck in dem halbrunden Himmelsausschnitt des Torbogens. Das Himmelstor, hatte ihre Mutter gesagt.
Gott schließt sein Tor im Himmel,
und es bleibt keine Fuge mehr zurück.
Es war ein berühmtes Gedicht gewesen, bevor es ein Lied wurde. Ihre Stimme piepste nervös in den hohen Laubengängen des babylonischen Tempels, aber die Stimme, die sie hörte, innerlich, war nicht ihre eigene, sondern die
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