Damon Knights Collection 5
noch nicht all sein Benzin verpufft hatte, und fuhr mit ihm ziellos durch die Straßen. Er entdeckte, daß er recht gut zwischen all den liegengebliebenen oder kaputten Autos hindurchlenken konnte, wenn er auch das eine oder andere Mal über den Fußweg fahren oder einen Umweg um drei Blocks machen mußte, um wieder auf den Broadway zu kommen.
Dann fuhren er und Siss, die nach dem Kirchgang niedergeschlagen war, in die Stadtmitte.
»Wessen Auto ist das, Mr. Ralph?« fragte sie ihn.
»Mein Auto, Siss. Möchtest du auch eins haben?«
»Ich kann nicht fahren.«
»Ich zeige es dir. Es könnte bequem werden.«
»Ich war ganz alleine in der Kirche«, sagte sie. Es war ihr immer noch nicht klar, dachte er; nicht völlig klar.
»Wen hast du denn dort erwartet?« fragte er, freundlich auf sie eingehend.
»Gott vielleicht.«
Sie starrte geradeaus und hielt ihre Handtasche festumklammert auf ihrem Schoß. Ihr Gesichtsausdruck zeigte, daß sie sich im Stich gelassen fühlte.
In der 72sten Straße hatte ein Biertransporter die Kassenbox des Trans-Lux-Kinos zertrümmert, und noch immer tropfte schaumige Flüssigkeit herunter, sickerte über den Fußweg in den Rinnstein und von dort in den Gully. Rolfe parkte und stieg aus. Ein Aluminiumfaß war angeschlagen. Das Bier, das dort herausrann, war kühl. Er beugte sich vor und ließ es sich eine Weile in den Mund fließen.
Das Trans-Lux hatte gerade ein Fellini-Festival veranstaltet, angezeigt war 8 ½ . Ohne eigentlich darüber nachzudenken, ging er hinein und kam zum Wagen zurück mit einer schwarzen Blechbüchse voller Filmspulen. Er konnte sich noch an den Anfang des Filmes erinnern, unzählige Autos, die sich im Verkehr stauten. Wie jetzt auf dem Broadway, nur daß in den italienischen Autos Leute gesessen hatten. Er legte die Büchse auf den Rücksitz und sagte: »Irgendwann werden wir einmal ins Kino gehen.« Siss schaute ausdruckslos zu ihm herüber.
Am Columbus-Kreisel hatten sich ein Broadwaybus und ein Möbelwagen aus Nordcarolina ineinandergeschoben. In der 50sten Straße war ein Mustang leicht in die Front eines Steakhauses gefahren, ganz als ob man ihn an einem Pfosten hätte abstellen wollen.
An der 42sten Straße drehte er gegen alle Vorschrift nach links ab und schaute, was es im Rialto gab: zwei freche, aufreizende, sexy Pornos, dazu eine Wiederaufführung von »Meine nackte Lady«. Hier hielt er nicht an.
Beim alten Gebäude des Newsweek, östlich vom Broadway, war ein Impala in ein ebenerdiges Spirituosengeschäft gerast. Das Glas der Einrichtung lag in Scherben herum, aber die Flaschen im Schaufenster waren ganz geblieben. Das wollte er sich merken. Ein Stückchen weiter, auf der anderen Straßenseite, sah er die Keppel-Faltboot-Gesellschaft, die ihn schon lange beschäftigt hatte. Vielleicht konnte es bald nützlich sein, eines dieser Boote zusammenzubauen und damit in eine bessere Gegend zu fahren. Auch das registrierte sein Gedächtnis.
Buchhandlungen im Stil der 42sten Straße. Obszöne Bücher und Magazine. Bücher voller Mädchenfotos. Bücher aus dem widernatürlichen, flagellantistischen, homosexuellen, lesbischen, sadistischen Milieu. Pornografische Klassiker, für den kleinen Mann von der Straße neuaufgelegt. Memoiren eines Freudenmädchens. Das Kamasutram, altväterisch, aber aufreizend aufgemacht. Aktbände für den seriösen Kunstfreund (Hier hat kein Retuscheur herumgepinselt, ihr Leute!).
Pakete mit Pornofilmen, in Klarsichthüllen verpackt, das Set für nur anderthalb Dollar. Mädchen im Großformat, in fortgeschrittenen Stadien der Entkleidung. Wie groß kann ein Busen sein, bevor er abstoßend wirkt? Welche Form hat der optimale Busen? A-Körbchen? D-Körbchen? Sollte das nicht davon abhängen, wie viele damit zu füttern sind? Und wie hungrig diese sind? Oder war dieser Maßstab passe?
Er schaute hinüber zu Siss, die weder ihn noch die Buchhandlungen, noch die Pornokinos sah, sondern einfach geradeaus. Sie besaß eine gute Figur. Ungefähr C.
Aber nicht der Körper allein war entscheidend, immer gehörte der Verstand dazu und die Stimme, mit der er sich ausdrückte.
»Woran denkst du, Siss?« fragte er.
»An nichts«, antwortete sie, was auch wahrscheinlich schien. »Woran denkst du?«
Nachdenken. Was sollte er ihr sagen?
Er improvisierte. Sie fuhren eben am Bryant Park vorbei. »Tauben im Park«, sagte er. »Ich muß an die Tauben denken. Sie müssen hungriger sein als gestern. Keiner besorgt ihnen Erdnüsse, bringt ihnen
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