Damon Knights Collection 8
gegenwärtig befindet?“
„Ich bin kein Volkswirtschaftler …“
„Nein, aber ein gebildeter Laie. Sie kennen die Lage. Miss Bushnan, fast eine viertel Million Männer und Frauen sind heute in Staats- oder Bundesgefängnissen, und ihre Versorgung kostet – kostet uns, die Steuerzahler – pro Kopf fünftausend Dollar jährlich. Das kommt auf eine Summe von über eine Milliarde im Jahr.“
„Ich entsinne mich, daß Sie während Ihrer Rede in der dritten Sitzung diese Zahlen genannt haben.“
„Möglich. Aber wir alle sind doch daran interessiert, den Vereinigten Staaten den Vorrang wieder zu verschaffen, den sie einst in der Weltpolitik hatten, nicht wahr? Um das zu erreichen, Miss Bushnan, mußten wir uns von der Sowjetunion einige Scheiben abschneiden. Und das hat uns nicht geschadet. Im Gegenteil, wir haben uns bescheiden gelernt, wenn man so sagen kann.“
Sie nickte.
„Wir setzten uns früher für die Sicherheit von Arbeitsplätzen für jedermann ein und für ein Gehalt, das auf Dienstalter und Fachkönnen basierte. Das nannten wir freie Marktwirtschaft, und wir waren stolz darauf. Nun, die Kommunisten haben uns eines Besseren belehrt: Ansporn und gleichzeitig Disziplinarmaßnahmen für Leistungsschwache. Damit haben sie uns mit dem Rücken an die Wand gedrängt, bis wir unsere Lektion gelernt hatten, und nun – Sie können sagen, was Sie wollen, aber heute stehen die Dinge bei Gott besser.“
„So sagt man allgemein“, sagte Miss Bushnan. Nun kam er zum Kernproblem.
„Mittlerweile haben sie sich neue Tricks einfallen lassen“, fuhr der amerikanische Delegierte fort. „Sie wissen ja, daß sie früher in Sibirien diese … Zwangsarbeiter einsetzten. Also hat sich eines Tages ein smarter Kommissar überlegt, wenn die Bauern auf eigenem Grund und Boden mehr Gemüse anbauen können, dann könnte man die Gefangenen auch auf diese Weise effektiver einsetzen.“
„Wenn ich mich Ihrer Worte genau entsinne“, sagte Miss Bushnan, „so schlugen Sie vor, die Hälfte der in den Staats- und Bundesgefängnissen Inhaftierten zu einem Preis von jährlich fünftausend Dollar an Privatleute zu verkaufen und damit die Kostenfür die verbleibende Hälfte zu finanzieren.“
„Zu vermieten, nicht zu verkaufen“, widersprach der Amerikaner. „Es wären Mietobjekte mit Optionsrecht jeweils auf ein weiteres Jahr. Damit wäre das milliardenschwere Mühlrad der Kosten von den Schultern der Nation gewälzt.“
„Aber“, fragte Miss Bushnan unschuldsvoll, „könnten wir nicht diese Lösung treffen, auch ohne uns den internationalen Absprachen anzuschließen, die hier diskutiert werden?“
„Nein, nein.“ Der amerikanische Delegierte wedelte abwehrend mit der Hand herum. „Wir müssen uns bei dieser Sache der Weltgemeinschaft anschließen. Schließlich, Miss Bushnan, ist der Welthandel einer der wenigen entscheidenden Faktoren und zugleich der am stärksten verbindende. Wir müssen um jeden Preis eine supranationale Marktstruktur herstellen.“
Der Papst, der außerhalb der Sichtweite des Amerikaners saß, mischte sich leise ein: „Fragen Sie, ob sie sie noch immer Sklaven nennen wollen.“
Miss Bushnan gehorchte: „Wollen Sie sie weiterhin Sklaven nennen? Ich meine in der Schlußvereinbarung?“
„O ja.“ Der amerikanische Delegierte beugte sich näher zum Sender und senkte die Stimme. „Im englischen Sprachbereich. Ich muß aber ehrlich zugeben, daß wir – ich meine, die Engländer, die Kanadier und unser eigenes Land – Schwierigkeiten haben, das bei den Sowjets durchzukriegen. Es stammt aus der Sprachwurzel ‚Slawe’, wie Sie wissen, und das gefällt ihnen nicht. Aber es ist ein zündendes Wort. Den Menschen gefällt die Vorstellung, Sklaven zu besitzen; die Roboter haben uns daran gewöhnt, und durch die Beruhigungs- und Antiaggressionsmittel besteht eine praktische Notwendigkeit. Außerdem ist es eine Verbindung zur Vergangenheit zu einem Zeitpunkt, wo viele solcher Verbindungen verblassen. Die Menschen kommen sich heute manipuliert vor, Miss Bushnan. Sie wollen wenigstens irgendwo die Herrschenden sein.“
„Ich verstehe. Und dadurch macht man die Gefängnisse leer und bringt die Häftlinge in eine angenehmere Umgebung.“
„Ja, so wird es sein. Und … äh … Sie fragten vorhin nach der Notwendigkeit eines internationalen Vertragswerks und eines internationalen Marktes. Sie müssen bedenken, daß unser Land heutzutage einen dringenden Bedarf an harter Währung hat, und wir leben
Weitere Kostenlose Bücher