Damon Knights Collection 9
Kindheit. Ich glaube nicht, daß ich Intuition besitze, noch irgendeinen Sinn für künstlerische Formen. Es ist einfach ein kontinuierlicher Traum, in dem ich immer fast hingelange. Ich umfahre ein Kap, und die Nordküste liegt genau jenseits dieses Kaps. Oder ich habe das Schiff verlassen und wate durch seichtes Wasser. Dann habe ich nur noch eine schmale Landzunge zu überqueren, um die Nordküste zu erreichen. Oder ich bin vielleicht an der Nordküste selber und gehe durch Nebel zu jenem einen Platz von Bedeutung, und ich werde das Abenteuer erleben, sobald sich der Nebel legt; aber er legt sich nicht. Ich bin mindestens tausendmal nahe daran gewesen, sie zu entdecken.“
„Gut. Legen Sie sich hin und träumen Sie, Miller. Wir werden versuchen, diesen Punkt zu überschreiten. Träumen Sie, und wir nehmen es auf.“
„Es ist nicht so einfach, Rousse. Es müssen immer erst Vorstufen durchlaufen werden. Zuerst ist da die Gestalt und das Geräusch und der Geruch einer Stelle, nahe der Brandung und die steigende Flut. Dieses Wasser im Hintergrund wird dann schwächer; aber es bleibt existent. Und dann gibt es einen kleinen Vorzimmertraum, ein wäßriger Traum, der nicht Haupttraum ist. Der Vorläufertraum kommt und geht, scharf und klar, und er hat seinen eigenen Reiz. Und erst dann bin ich in der Lage, die Reise zur Nordküste anzutreten.“
„Gut, Miller, wir werden auch die Begleitumstände festhalten. Träumen Sie Ihre Träume in ihrer richtigen Reihenfolge. Legen Sie sich ruhig hin. Es geht los. Der Registrator und die Schattenkammer warten.“
Schattenkammern reproduzieren Träume in allen Dimensionen und mit jeder Bedeutung, so echt, daß ein Patient häufig, wenn er ein Playback seines eigenen Traumes sieht, erschrickt, wenn er bemerkt, daß eine Vorstellung, die seiner Meinung nach gar nicht auszudrücken ist, sehr wohl in Schatten, Farbe, Bewegung oder Geräusch oder Geruch ausgedrückt werden kann. Die Schattenkammer des Analytikers Rousse war mehr als eine einfache Kammer, da er sie mit vielen eigenen Ideen ausgestattet hatte. Sie reproduzierte die Träume seiner Patienten sehr gut, wenn auch in gewissem Ma ße mit seinen eigenen Augen und Voraussetzungen.
Zuerst mußte der Ausgangspunkt gefunden werden, und Rousse war sich bewußt, daß dies für seinen Patienten Miller Neuguinea war, insbesondere Schwarz-Papua, das große Gebirgsland mit den düsteren, geisterhaften Menschen. Es war Nacht; das Gebiet schien etwa fünfzig Meter von der Brandung entfernt zu liegen, aber jeder Schlag und Seufzer des Wassers war zu hören. Und da war noch etwas: die Flut brauste unterirdisch; der Ozean unterspülte das Land. Guinea, dieses Gebirge, das eine Insel ist, war ein Gebirge voller Wasser. Die Wurzeln des Gebirges bewegen sich und seufzen; die großen Findlinge ächzen, wenn der Hammer der Flut sie trifft; und zwischen den Klippen steigt der Wasserspiegel. Man hat das Gefühl, als wäre man auf einem sehr großen Schiff, einem tausend Meilen langen Schiff.
„Er hat den Ausgangspunkt Erde gut erfaßt“, sagte der Analytiker Rousse. Dann trat der Ausgangspunkt etwas in den Hintergrund und der Vorläufertraum begann.
Es war ein flaches Ruderboot von einem vorangegangenen Camping-Ausflug. Er lag mit dem Rücken auf dem Boden des Bootes, und es war an einem Stumpf oder Baum festgemacht und schaukelte leicht in der Strömung. Und hier war wieder ein Berg voller Wasser, aber im Landesinnern und von geringerer Größe, und eiskalte Quellen entsprangen seinen Hängen, die kieferbestandenen Abhänge hinunter zu dem Geröll des Flußufers. Fische sprangen in der Dunkelheit, und Schwarz schlangen schlängelten sich den Hang hinunter, um zu trinken. Ochsenfrösche quakten, und Schreieulen ließen sich vernehmen; und weit entfernt Hunde und Menschen auf der Jagd, und das Bellen war meilenweit zu hören. Dann erinnerte sich der Junge, was er tun sollte, und im Traum löste er das Boot, lenkte es in den Strom und holte die Treibangel ein. Von jedem Haken nahm er einen Fisch, so lang wie sein Arm, bis das Boot voll war und beinahe sank.
Und vom allerletzten Haken nahm er eine Schildkrö te, so groß wie ein Wagenrad. Er wäre nicht in der Lage gewesen, sie in das Boot zu heben, wenn die Schildkrö te nicht geholfen hätte, indem sie ein hakenförmiges Bein über den Bootsrand gelegt hätte und sich selbst hineingehievt hätte. Mittlerweile war es nicht so sehr eine Schildkröte, als vielmehr jemand, den der Junge kann
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