Damon Knights Collection 9
Leben“, sagte Sturbridge.
„Als die Herzklappengeschichte schiefging, hat er den Verstand verloren und ist nicht mehr der alte Rowalski. Seine Frau ist nervös und nimmt vier verschiedene Tranquilizer und raucht drei Packungen Zigaretten täglich. Sie kann nicht schlafen, und alles ist ziemlich im Eimer. Eine ganze Menge von uns wünschen, daß er heute nacht Glück hat.“
Sturbridge nickte: „Ich habe es noch gar nicht von Kowalskis Standpunkt aus betrachtet. Nur von Tan kers.“ Er erhob sich. „Sie waren sehr freundlich“, sagte er, gab ihm die Hand, „und vielen Dank, aber ich werde Sie jetzt besser alleine lassen.“
Zurück zur Chirurgischen, wo Sturbridge versuchte, sich hineinzuschmuggeln, um einen flüchtigen Blick auf Tanker zu werfen, aber eine Schwester erspähte ihn und drängte ihn hinaus. Er stand in einer Telefonzelle, versuchte seine Zeitung zu erreichen und hörte von draußen, „John, um Himmels willen, alter Junge, wir stehen jetzt schon über drei Stunden dort oben herum. Allmächtiger Gott, wie lange braucht ihr noch, um diese dämlichen Bastarde zu überzeugen –“ Die Ärzte gingen vorüber.
Es waren arbeitende Menschen, die ihren Job taten, dachte Sturbridge. Sie wußten, daß es mit Tanker zu Ende war. Sie hatten alle diese Fälle, die Transplantationen benötigten, und seit Tanker hier war, waren sie auf Trab. Ebenso schnell, wie sie Tanker das Blut hineinpumpten, zapften sie es ihm wieder zur Prüfung ab. Wie konnten sie wissen, ob das Ergebnis der Prüfung gegen Tanker ausfiel und nicht gegen irgendeinen Vorstadtburschen, der sein Blut für ein paar Dollar hergegeben hatte. Wahrscheinlich taten sie ihr Bestes. In alten Zeiten wurden die Gräber ausgeraubt, um den menschlichen Körper zu studieren. Heute warteten sie dort oben, wie ein hängengebliebenes Bild auf dem Fernsehschirm, und wollten den Tod überlisten. Er war ein Fremder, der hier herumstand: dennoch konnte er den Druck spüren, der auf Treppen und in Fahrstuhlschächten lastete und den OP überflutete.
Er gähnte. Trotz der Klimaanlage klebten seine Kleider. Er mußte sich rasieren. Vor allem war er es müde, richtig müde, ein Zuschauer zu sein, der durch Schlüssellöcher und unverdeckte Fenster spähte.
Vielleicht konnte er Rowalski sehen, dachte er. Er rief das Hospital an. Die Zentrale sagte nein. Vielleicht sollte er hinaufgehen.
Zurück, im Besucherzimmer, sah er auf der kleinen Leuchttafel jetzt die Drei aufleuchten. Also war es noch nicht soweit. Er prüfte gewohnheitsmäßig seine Jacke, die Krawatte, die Schuhe, wie ein schwacher Schauspieler, der für immer dazu verdammt war, eine unbefriedigende und unverstandene Rolle zu spielen. Er zog einen Notizblock hervor und tat das einzige, von dem er etwas verstand.
Er nahm die Brille ab, um seine Augen zu reiben, zündete eine neue Zigarette an und bemitleidete sich selbst. Auf der kleinen Lampe leuchtete die Sieben auf. Jetzt waren sie ziemlich nahe dran. Oben würden die letzten Tassen Kaffee getrunken, die letzten Besuche auf der Toilette gemacht, die Schlafenden würden geweckt werden. An den Waschbecken würden die Verstärkungen für jede Gruppe sich schrubben, herumalbern und Scherze machen, um die Spannung der nächsten Stunden zu verringern, wie Truppen, die kurz vor Dämmerung sich in Schlachtlinien aufstellen.
Er versuchte nicht, in die Nähe des OP zu kommen. Vor Tankers Zimmer standen drei Arzte in einer kleinen, müden und feierlichen Gruppe zusammen. Dann kam noch ein vierter. Es war vier Uhr fünfzehn. Sturbridge fragte sich, ob schon alle Patienten, die auf Tanker warteten, auf Sieben wären, oder ob sie noch tränenreichen Abschied von ihren Familien nähmen. In seiner Nähe kam ein Fahrstuhl hoch und wurde durch die offen gehaltene Tür blockiert. Krankenwärter tauchten auf mit fahrbaren Krankenbetten und Kabelrollen.
Dann fühlte Sturbridge Mitleid und Verständnis für den fünften Mann des Komitees, der sich jetzt peinlich bewußt werden mußte, daß seine Pedanterie, sein Gewissen oder Sinn für Schicklichkeit ihn dazu verurteilt hatten, derjenige zu sein, der endlich sagte, daß Tanker tot genug war. Sturbridge konnte sich vorstellen, wie er sich von einem Meßgerät zum anderen schleppte, von einer Gruppe aufleuchtender Lichter zur anderen starr te, hoffend, irgendeine mechanistische Magie zu finden, die ihn von seiner Last befreien würde. Denn er mußte sehr gut wissen, daß von jetzt an die Universitätsklinik auf ihn
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