Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
kein Leben, nichts, auf das wir uns freuen können. Wir werden nie in irgendwas gut oder schlecht sein. Wir werden hier einfach nur verrotten und keiner wird sich an uns erinnern.«
»Mach dir keine Sorgen, Herr Spenzer«, munterte Marcus ihn auf. »Hier drin bist du genauso mittelmäßig, wie du’s draußen auch gewesen wärst.«
»Soll mich das jetzt vielleicht aufbauen?«
»Ach, komm schon – dann hat einer der Wärter eben deinen Hut geklaut. Es hätte schlimmer kommen können!«
»Das allein ist es ja gar nicht, aber das gehört auch dazu. Hier drin sind wir keine richtigen Menschen. Wir haben keine Rechte, kein gar nichts. Wir werden sterben, Stück für Stück, und keiner da draußen wird es merken oder sich darum scheren.«
»Ich trete dir in den Arsch, wenn du nicht aufhörst, dich selbst zu bemitleiden. Wir stecken alle in derselben Scheiße. Jammern löst absolut gar nichts.«
»Aber eine Kugel würde das.«
»Was?«
»Ich halt es nicht mehr aus«, sagte Spencer entmutigt. »Ehrlich. Mir reicht’s. Wenn das Licht ausgeht, muss ich eigentlich nur die Tür da aufmachen und rausgehen. Die Wärter sind so wild darauf, jemanden zu erschießen – warum also nicht mich? In Cheyenne – klasse Film! – gibt es eine Szene, als die Letzten, die von den Cheyenne noch übrig sind, völlig verzweifeln. Sie sind über achthundert Meilen weit gewandert, durch die Wüste und durch Schnee, um heimzukommen. Viele von ihnen sind verhungert und erfroren und die Restlichen mussten in einem Militärstützpunkt Schutz suchen. Die Soldaten dort haben sie eingesperrt, ohne Essen, Wasser oder Feuerholz, und ihnen gesagt, dass man sie zurück ins Reservat schicken würde, aus dem sie geflohen sind, mitten im Winter. Diese Reise hätten sie nie überlebt. Sie hatten jede Hoffnung aufgegeben und meinten, dass sie sich lieber selbst und sofort umbringen würden. Den Teil habe ich bisher nie wirklich verstanden, aber jetzt kapier ich’s. Ich weiß genau, wie sie sich gefühlt haben. Ist mir ehrlich egal, ob ich erschossen werde – solange es schnell geht.«
Marcus starrte ihn an und wusste nicht, was er sagen sollte. Dann drehte er Spencer zu sich um und schüttelte ihn heftig. »Denk nicht mal dran!«, brüllte er. »Wag das ja nicht, niemals! Hast du verstanden?«
»Ist doch mein Leben!«
»Das heißt noch lange nicht, dass du’s einfach so wegschmeißen kannst! Hast du Jim schon vergessen? Der arme verrückte kleine Kerl in dem Grab da draußen? Ich nämlich nicht! Er hat nicht lange genug gelebt, um im Selbstmitleid zu ertrinken. Diese Monster haben ihn abgeschlachtet und jetzt erzählst du mir, dass du ihnen vielleicht ein Paar Gratisschießübungen liefern willst? Wag das ja nicht, Sonnenschein! Verfluchte Scheiße!«
»Aber warum, ist doch völlig egal. Mich würde eh keiner vermissen.«
»Ich schon, du dummer Arsch!«, brüllte Marcus. »Du bist doch mein Kumpel!«
»Dein Kumpel? Du kannst mich nicht ausstehen. Dieser Garrugaska ist doch der Einzige hier, der mich überhaupt bemerkt.«
Marcus ließ ihn los und setzte sich aufs nächste Bett. »Du hast recht, es tut mir leid.« Er stierte auf den Boden. »Ich hab ’ne Menge Sachen gemacht und gesagt, auf die ich nicht stolz bin. Ich weiß, das klingt lahm und luschig, aber ich fange gerade erst an, so einiges zu kapieren. Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich mich selber nie so richtig leiden können. Dachte ich zwar, aber das war der totale Witz. Die Kumpels, die ich vor DJ hatte, hätten das, was Charm heute für Maggie gemacht hat, nie für mich getan. Und die hätten nie und nimmer ihr Leben riskiert, um jemandem Wasser zu bringen, so wie Maggie neulich. Nicht dass ich so was für sie getan hätte. Eine Bande oberflächlicher Trottel waren wir, und wenn morgen alles auf einmal wieder normal wäre, würde ich mit den Leuten von damals nichts mehr zu tun haben wollen.« Er blickte auf. »Wir kommen hier lebend raus«, versprach er und sah Spencer dabei direkt in die Augen. »Wir werden nicht aufgeben. Wir schulden es Jim und all den anderen Kids, die es nicht geschafft haben. Wir dürfen nicht aufgeben, niemals. Wenn du ein Problem hast, egal was, dann komm und rede mit mir. Okay?«
Spencer zappelte unruhig herum. In diesem Moment kam Maggie herein, die barfuß durch den Regen gewatet war, um ihre Nägel spazieren zu führen.
»Wie findet ihr das, Jungs?«, fragte sie. »Passen die zu meinen Haaren oder was? Ihr solltet bei uns vorbeikommen und euch
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