Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
es reicht!«
Alasdair brannte darauf, etwas zu sagen, aber wenn Lee in dieser Stimmung war, konnte er einem ehrlich Angst einjagen. Der Schotte setzte sich also, woraufhin Jody ihm einen abfälligen Blick schenkte. Auf niemanden konnte sie sich mehr verlassen. Egal, sollte ihr auch recht sein. Damit kam sie klar. Sie würde einfach den richtigen Augenblick abwarten. Wenigstens lief das dumme Schwein weiterhin mit vollgeschmiertem Gesicht herum. Das wurde sie frühestens in einer Woche los. Und bis dahin würde es sie ständig daran erinnern, wie sehr die anderen sie verabscheuten. Schade, dass Christina ihr nicht auch noch Spitzel auf die Stirn geschrieben hatte.
Schweigend aßen sie ihre Suppe, und zwar so schnell wie möglich. Beinahe freuten sich die Kinder schon darauf, zur Arbeit abgeholt zu werden. Die Stimmung im Speisesaal war grässlich. Man spürte die Feindseligkeit regelrecht in der Luft.
Charm war nur allzu bewusst, wie mies Maggie sich fühlte, und sie zerbrach sich den Kopf, wie sie sie aufheitern konnte. Normalerweise hätte sie ein neues Styling vorgeschlagen, aber mit der ganzen Tinte im Gesicht war das völlig sinnlos. Was Maggie brauchte, war schwesterlicher Beistand – etwas Hilfreicheres als leere Worte, was sowieso nicht Charms Stärke war. Solidarität, das war hier gefragt, ein ausdrucksstarker Beweis echter Freundschaft! Plötzlich begriff Charm, was sie zu tun hatte.
Sie griff sich den Stift und malte sich gelassen einen Schnurrbart auf die Oberlippe.
»Nein!«, protestierte Maggie. »Das geht nicht wieder ab. Das musst du nicht machen!«
Charm lächelte sie an. »Doch, muss ich«, sagte sie voller Wärme. »Hier, malst du mir ’ne Brille auf? Sonst wird sie schief. Und wie wär’s mit ’nem kleinen Kinnbart?«
Die anderen beobachteten baff, wie Maggie den Stift nahm und Charms Bitte befolgte. Charm saß ganz still und erinnerte Maggie daran, die Punkte nicht zu vergessen.
Esther und ihre Kumpanen wollten sich darüber lustig machen, doch dann wurde ihnen bewusst, dass es niemanden gab, der für sie so etwas machen würde – vor allem keiner, der so gut aussah wie Charm. Beschämt zappelten sie auf ihren Stühlen herum und sahen weg.
Lee starrte Charm an. Dieses Mädchen steckte voller Überraschungen. Das Gekritzel auf ihrem Gesicht machte sie zum wunderschönsten Menschen, den er je gesehen hatte.
Nebenan am Tisch tuschelten die Mädchen aus Charms Hütte aufgeregt miteinander. Als Maggie fertig war, bat eine von ihnen um den Stift und dann legten auch sie los und malten sich gegenseitig an.
Jody sah ihnen voller Verachtung zu. Diese hirnlosen Mitläufer! Sie konnte nicht fassen, wie dumm sie waren, und es ärgerte sie, dass sie ihr den Spaß verdorben hatten, weil Maggie nun nicht mehr die Einzige war, die mit Graffiti im Gesicht herumlief. Einige der Mädchen aus Jodys Haus wirkten zunehmend neidisch. Charm hatte die Situation komplett herumgerissen, auf einmal schien es ein Mordsspaß zu sein, sich vollzuschmieren. Selbst Christina schmollte auffällig, um ihr Interesse zu überspielen. Dafür hasste Jody Charm umso mehr.
Der Morgen war grau und bewölkt. Das schöne Frühlingswetter war umgeschwungen und es sah nach Regen aus.
Als sich alle auf der Wiese einfanden, um zur Arbeit aufzubrechen, starrten die Punchinellos sie misstrauisch an. Sie wussten nicht, was sie von so vielen angemalten Gesichtern halten sollten. Eins war ein willkommenes Ziel für Spott, aber so viele wirkten wie eine merkwürdige Verschwörung. Bezuel ging verärgert zu Charm.
»Mag das nicht«, sagte der Wächter.
»Ach, so ein Jammer!«, entgegnete sie.
Er packte ihr Gesicht und versuchte, mit seinem schwieligen Daumen den Bart über ihrer Lippe wegzurubbeln. Charm schrie auf und Lee machte einen Satz in ihre Richtung. Doch Bezuel fletschte die Zähne und zielte mit einer Pistole auf ihn.
»Ist schon okay«, meinte Charm. »Mir geht’s gut.«
Bezuel schaute Lee finster aus seinen Knopfaugen an und hielt die Waffe jetzt so schräg wie ein Gangsterrapper. »Bamm, bamm, bamm!« Er gackerte. »Ich halte dich im Auge!«
»Ich dich auch«, erwiderte Lee mit steinerner Miene.
Garrugaska, der noch immer an dem Zigarrenstummel nuckelte, schritt die Reihen der Gefangenen ab. Vor den Füßen der angemalten Mädchen spuckte er aus. Mit klirrenden Sporen kam er vor Spencer zum Stehen. Eine lange Narbe zog sich über seine Wange. Der Wärter mit der Silbernase beäugte ihn von Kopf bis Fuß, zog
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