Dann klappt's auch mit dem Doktor
anderer Leute Balkone zu verwüsten?«
»Ich habe nichts verwüstet, ich habe meine Blumen gegossen. Vielleicht solltest du nicht alles glauben, was du hörst.«
»Im Gegensatz zu dir ist Frau Beier absolut zuverlässig.«
Das habe ich befürchtet. »Na, wenn du meinst. Gibtâs sonst noch was?«
»Jetzt sei nicht so pubertär-verstockt. Ich erwarte, dass du dich deinen Nachbarn gegenüber anständig verhältst.«
»Sonst noch was?«
»Dass du mehr auf dich achtest. Aber da kann ich mir ja den Mund fusselig reden. Ich mache mir wirklich Sorgen. Ich höre ja auch gar nichts mehr von dir«, jammert Mutter vorwurfsvoll.
»Wir haben doch gerade erst letzte Woche telefoniert. Du weiÃt doch, dass ich Nachtdienst habe.«
»Ja, aber Frau Beier und ich machen uns so unsere Gedanken. Sie meinte, dass du in letzter Zeit einen etwas verwahrlosten Eindruck machst.«
Verwahrlost? Das darf doch wohl nicht wahr sein! »Wann hat dir dein Spitzel aus deiner Hausfrauen-Tratschtruppe denn das erzählt?«
»Also bitte, ich hatte schon befürchtet, dass du keine Ahnung von nachbarlicher Fürsorge hast. Da bist du leider ganz wie dein Vater. Das hat überhaupt nichts mit Tratsch zu tun.«
Letzteres ist eine glatte Lüge. Gelangweilte Hausfrauen, die von ihren Ehemännern zum Kegeln verpflichtet wurden und dabei noch nicht einmal genau wissen, was man mit der Kugel macht, sitzen in Mutters Kegelgruppe zusammen und tratschen ohne Punkt und Komma bei dem ein oder anderen Kirschlikör. Als die Frauen aus meinem Heimatort sich vor einiger Zeit tatsächlich nichts Neues mehr zu berichten hatten, schlossen sie sich einfach mit ein paar anderen Klatschbasen zusammen und gründeten eine überregionale Frauen-ÂKegelgruppe. Dass anscheinend nun auch Frau Beier zu der Truppe gehört, ist gerade extrem ätzend.
»Wie du meinst. Was hat dir deine Sportkameradin, unser Blockwart Beier, denn alles erzählt?«
»Sprich bitte nicht so abfällig über sie. Da du es ja nicht nötig hast, mit mir zu sprechen, muss ich sie eben fragen, wie es dir geht.«
»Wenn du das wissen willst, frag mich doch einfach. Es geht mir gut!«
»Das behauptest du immer. Aber wenn ich höre, wie du mit einer älteren Dame umspringst, muss ich mir langsam wirklich Sorgen um deinen Geisteszustand machen.«
»Auch der ist gut. Vielleicht solltest du nicht immer auf das hören, was andere so von sich geben, vor allem nicht auf deine liebe Frau Beier.«
»Jetzt sei nicht gleich so zickig. Wir machen uns doch nur Sorgen um dich.«
»Ihr müsst euch keine Sorgen machen, es geht mir gut. Wie oft soll ich das noch sagen. Ich habe Nachtdienst â¦Â«
»Und noch nicht mal einen Freund â oder verheimlichst du mir was? Natürlich hast du keinen Freund, und es geht dir nicht gut. Eine Mutter spürt, wenn mit ihrem Kind etwas nicht stimmt.«
Wenn das so ist, dann wurde ich eindeutig adoptiert. Zwischen meiner Mutter und mir liegen Welten.
»Halloho! Hast du mir zugehört? ES GEHT MIR GUT !«
»Nein, es geht dir überhaupt nicht gut. Das sieht man ja schon an deinem Verhalten gegenüber Frau Beier â¦Â«
Diese verfluchte Frau Beier. Da zieht man kilometerweit von zu Hause weg, um seine Ruhe zu haben, und was passiert? Mutters Kegeltanten sind einfach überall.
»Du solltest froh sein, dass sich eine ältere Dame wie sie für ihre Mitmenschen interessiert. Wenn sie nicht wäre, wüsste ich ja nicht einmal, ob du noch am Leben bist. Eine Frau in deinem Alter sollte nicht allein leben, ohne Mann. Das ist doch unnatürlich. Vielleicht sollte ich dich mal wieder besuchen und deine Wohnung auf Vordermann bringen. Wenn du so vor dich hin vegetierst, vergraulst du natürlich jeden Mann.«
»Nein, also, nein wirklich, das ist nicht nötig. Hier ist alles picobello, das geht auf gar keinen Fall. Ich hab viel zu viel zu tun â¦Â«
»Nun, wenn du meinst. Bei uns bist du jedenfalls immer willkommen. In der Firma deines Vaters hat ein neuer Abteilungsleiter angefangen. Der ist so etwa in deinem Alter und ein ganz gepflegter junger Mann â¦Â«
Uuuuh, pflegen kann man so einiges.
»Ich muss jetzt wirklich los. Ich ruf dich an.«
Mit einem leisen Stöhnen lege ich auf. Frau Beier und meine Mutter, das ist eine ganz ungute Verbindung. Na klasse, und jetzt bin ich erst recht viel zu
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