Dann klappts auch mit dem Glueck
müssen.“
„Er wird schnell neue Freunde finden“, entgegnete ihre Mutter.
„Kinder sind belastbar und unverwüstlich“, fügte ihr Vater hinzu. „Er wird es schon schaffen.“
„Wir machen uns mehr Sorgen um dich“, warf ihre Mutter ein.
„Oh, ihr kennt mich doch. Ich bin ein Stehaufmännchen“, erwiderte Meredith und zuckte mit den Schultern. Nur dass sie leider im Moment gar nicht wieder aufstehen wollte. Sie wollte einfach liegen bleiben. Vorzugsweise auf der Couch mit einer Schachtel Sweet-Dreams-Schokolade. „Und dank euch habe ich einen Ort, wo ich einen Neuanfang wagen kann.“ Sie würde wieder auf die Füße kommen und, was definitiv ein Bonus war, sie würde leckere Schokolade essen, denn aus Icicle Falls kam ebenjene Schokolade von Sweet Dreams.
„Es ist ein Wunder, dass er das Häuschen nicht auch noch verspielt hat“, murmelte ihr Vater.
„Bei dem Wert des Hauses brauchte er das nicht“, entgegnete Meredith.
Aber das wäre wirklich das Schlimmste gewesen. Das Häuschen im Wald, am Rand der Kleinstadt im Kaskadengebirge gelegen, war nicht gerade der glamouröseste Flecken auf dieser Erde, doch für Meredith war er einer der coolsten Orte überhaupt. Es war ein zweistöckiges, A-förmiges Gebäude, das unten über ein Schlafzimmer und oben über ein großes Loft verfügte, in dem vier Betten standen. Dort hatte sie früher mit ihren Freundinnen kichernd herumgealbert, bis sie irgendwann eingeschlafen waren – oder bis ihr Vater hinaufgebrüllt hatte, dass sie doch endlich mal Ruhe geben sollten. Und jetzt war es perfekt für ihren Sohn und dessen Freunde. Das gesamte Haus war mit Zedernholzpanelen versehen und mit Bildern geschmückt, die sie auf Flohmärkten erstanden hatten. Möbel aus den Sechzigerjahren sowie ein alter Holzofen zierten das Wohnzimmer. Die Küche war klein, allerdings funktional eingerichtet, und der Blick aus dem Fenster war einfach unschlagbar – Pinien und Kiefern, Blaubeerbüsche sowie Wald- und Wiesenblumen – Natur pur. Hin und wieder spazierte sogar ein Hirsch vorbei. In der Ferne konnte man Icicle Falls erkennen. Für Kinder war es der Himmel auf Erden, perfekt, um Verstecken zu spielen oder ein Fort zu bauen. Auf der Terrasse auf der Rückseite des Hauses standen ein uralter Grill sowie ein Picknicktisch, und Meredith erinnerte sich an die vielen Hotdogs, die sie dort mit Freunden der Familie, mit Cousins oder wem auch immer verspeist hatte. Ihre Eltern hatten gern Leute eingeladen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, einmal auszuspannen und die frische Bergluft zu genießen. Im Winter waren sie immer zum Langlaufen dort hinaufgefahren und hatten es sich danach mit einem heißen Kakao vor dem knisternden Kaminfeuer gemütlich gemacht. Der Ort barg viele schöne Erinnerungen, und Meredith liebte das kleine Häuschen.
Leo mochte es auch. Was er allerdings nicht mochte, war die Vorstellung, immer dort zu leben. Genau genommen hasste er die Vorstellung. Und seiner Meinung nach war es ganz allein die Schuld seiner Mutter, dass er all seine Freunde verlassen musste.
„Ich würde mir immer noch wünschen, dass du hierbleibst. Ihr könntet bei uns einziehen, bis du wieder auf die Füße gekommen bist“, sagte Mom.
Die Verlockung war groß, doch Meredith wollte das nicht. Für sie wäre das ein Rückschritt gewesen. Und sie musste jetzt nach vorn blicken. Schon als Leo ein Baby gewesen war, hatten sie im bescheidenen Haus ihrer Eltern Unterschlupf gefunden. Damals, als sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester gemacht hatte. Es war auch ihr Heim, und es war gemütlich. Doch sosehr sie die Gesellschaft ihrer Eltern auch genoss, inzwischen war sie einfach zu alt, um bei Mommy und Daddy einzuziehen. „Ich muss einen Neuanfang wagen, und dieser Job gibt mir die Chance dazu.“
Indem sie für Dr. Sharp in der Icicle-Falls-Klinik arbeitete, würde sie nicht reich werden, doch sie hatte keinen Schichtdienst mehr und konnte mehr Zeit mit Leo verbringen. Das war ein unschätzbarer Vorteil.
„Okay, aber denk dran: Wenn irgendetwas nicht so läuft, wie du es dir vorgestellt hast, kannst du jederzeit wieder nach Hause kommen“, sagte ihre Mutter.
„Dort oben bin ich doch zu Hause.“
Mom lächelte. „Ja. Das Ferienhaus war immer ein zweites Zuhause für dich. Für uns alle.“
„Tut es dir leid, dass du es aufgegeben hast?“, wollte Meredith wissen. Es war ein großzügiges Geschenk gewesen. Ihre Eltern waren noch nicht besonders alt, erst Ende sechzig.
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